Lücken in der Sprechenden Medizin Wo die Entbudgetierung der hausärztlichen Arbeit unvollständig bleibt

Praxismanagement , Geld und Steuern Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Das GVSG ist in Kraft. Doch die EBM-Positionen 03230 und 35100/35110 werden auch nach der Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars weiterhin eingeschränkt vergütet werden. Das GVSG ist in Kraft. Doch die EBM-Positionen 03230 und 35100/35110 werden auch nach der Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars weiterhin eingeschränkt vergütet werden. © Andrey Popov - stock.adobe.com

Das GVSG ist in Kraft. Doch die EBM-Positionen 03230 und 35100/35110 werden auch nach der Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars weiterhin eingeschränkt vergütet werden. Das konterkariert das Ziel des Gesetzes, die hausärztliche Versorgung attraktiver zu gestalten.

Im Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) hieß es noch: „Die erbrachten Einzelleistungen sowie die Zuschläge nach dem Kapitel IV 37 des EBM sowie Hausbesuche nach dem Kapitel II 1.4 sind weiterhin abrechnungsfähig und sind von mengenbegrenzenden oder honorarmindernden Maßnahmen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und der Honorarverteilung ausgenommen.“ Das hätte bedeutet, dass die GOP 03230 des EBM ab einem Zeitpunkt X wie erbracht und ohne Abschläge hätte bezahlt werden müssen. Irgendjemand scheint es aber im parlamentarischen Verfahren geschafft zu haben, den Untergang des Abendlandes vorauszusagen, wenn diese Passage aufrecht erhalten worden wäre. Und so wurde bei der Möglichkeit, die stark zuwendungsintensiv ausgerichtete hausärztliche Medizin zu entfesseln, gebremst.

Jetzt liegt es in der Hand des Bewertungsausschusses (BA) zu klären, wie die Gesprächsleistung 03230 künftig vergütet wird. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass sich die ärztlichen Vertreter im BA an dieser Stelle nicht gegen die Kassenvertreter durchsetzen werden – weil sie es nicht können oder vielleicht auch nicht wollen. Es wird voraussichtlich so sein, dass die alte EBM-interne Regelung fortbestehen wird: Für die nach GOP 03230 erbrachten Gespräche wird ein Punktzahlvolumen gebildet, aus dem alle gemäß der GOP erbrachten Leistungen zu vergüten sind. Das Volumen beträgt 64 Punkte multipliziert mit der Anzahl der Behandlungsfälle. Das bedeutet, die Gespräche nach GOP 03230 werden auch künftig zwar mit 15,86 Euro bezahlt, aber bei einer Bewertung mit 128 Punkten und einem „Budget“ von 64 Punkten nur bei jedem zweiten Patienten einmal. So etwas nennt man eine Mogelpackung.

Beschränkungen treffen Leistungen der Psychosomatik

Die beiden typisch hausärztlichen Psychosomatikleistungen nach den GOP 35100 und 35110 EBM haben es erst gar nicht in die Entbudgetierung geschafft. Bei ihnen greifen weiterhin die regionalen Budgetierungsmaßnahmen und lassen eine Betreuung von diesbezüglich erkrankten Patientinnen und Patienten nicht zu. Die Psychotherapeutinnen und -therapeuten, deren Honoraranteil ständig wächst, wird das freuen.

So weit hätte es aber nicht kommen müssen. Die starken Beschränkungen beim Honorar für diese Leistungen sind einerseits das Resultat einer sehr restriktiven Budgetierung in den Honorarverteilungsmaßstäben (HVM) der KVen, andererseits aber auch einer Art „Hexenjagd“ der KV-Prüfgremien auf Ärztinnen und Ärzte, die trotz des HVM-Budgets diese Leistungen in angemessener Form erbracht haben. In der Regel wird hier das Heckenschnittprinzip zugrunde gelegt: Wer den Fachgruppenschnitt beim Ansatz der GOP 35100/35110 in einer Größenordnung ab 100 % überschreitet, wird pauschal gekürzt.

Dabei ist bereits der Prüfungsansatz schief. Die Vergleichsgruppe bildet sich nämlich aus allen Praxen, die solche Leistungen – egal in welcher Größenordnung – abrechnen. Bei Gemeinschaftspraxen (BAG) wird dabei mitunter nicht einmal differenziert, wer in der Praxis diese Leistung erbringt, und auch das Praxismitglied mitgezählt, das keine psychosomatischen Leistungen erbringt. Oft wird nicht einmal recherchiert, ob dies daran liegt, dass ein betreffendes Mitglied der BAG keine Zulassung für die Abrechnung dieser Leistungen hat.

Das Sozialgericht Marburg hat 2020 das Thema erstmals aufgegriffen, diese Vorgehensweise als rechtswidrig deklariert und das Verfahren an den Berufungsausschuss der KV Hessen zurücküberwiesen (Az.: S 17 KA 527/20, 223/17, 409/17, 476/17, 234/21, 12/18, 13/18, 527/20). Dagegen hat dieses aus Verwaltungskostenumlagen der Vertragsärztinnen und -ärzte finanzierte Gremium Klage beim Landessozialgericht eingelegt und durchblicken lassen, dass man bereit ist, den Vorgang ggf. bis zum Bundessozialgericht zu verfolgen.

Versorgungsstärkungsgesetz wirkt sich ab Oktober aus

Derartige Praktiken rächen sich jetzt im Hinblick auf die Rahmenbedingungen der Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars. Laut GVSG, das am 1. März 2025 in Kraft getreten ist, müssen die gesetzlichen Krankenkassen ab Oktober 2025 Leistungen des Versorgungsbereichs der allgemeinen hausärztlichen Versorgung (Abschnitt IIIa 3 EBM) einschließlich der erbrachten Hausbesuche (Abschnitt II 1.4 EBM), soweit diese Leistungen nach sachlicher und rechnerischer Prüfung durch die KV anerkannt wurden, mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vollständig vergüten.

Diesem Schritt müssen allerdings Verhandlungen im Bewertungsausschuss über die Bereinigung der MGV vorausgehen. Das bisher restriktive Verhalten der KVen bei der Vergütung der psychosomatischen Leistungen im hausärztlichen Bereich könnte sich dabei negativ auswirken. Denn die von den Prüfgremien per Honorarregress „erwirtschafteten“ Gelder werden anderen Bereichen in der MGV zugeführt, die der bisherigen Budgetierung unterliegen, der Bereinigung zum Opfer fallen und damit die Psychosomatik in der bereinigten MGV noch schlechter abbilden werden.

Fazit: Euphorie ist nicht angesagt. Das Abspecken der ursprünglichen GVSG-Regelungen zur Entbudgetierung der hausärztlichen Honorierung lässt nur wenig Spielraum für echte Honorarsteigerungen. Denn größtenteils bleibt es bei den Pauschalen. Die EBM-Anteile, die zu einem Mehrhonorar führen können, beschränken sich auf wenige Inhalte, wie die Geriatrie, die Palliativmedizin oder die Hausbesuchstätigkeit.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht