Ausstieg aus Gemeinschaftspraxis Kluge Regelung vermeidet jahrelangen Rechtsstreit um Nachbesetzung

Niederlassung und Kooperation Autor: Dr. jur. Michael Haas

Der Sitz eines aussteigenden Gesellschafters einer Gemeinschaftspraxis kann für die Praxis sehr wertvoll sein. Der Umgang mit dem Verbleib des Sitzes muss deswegen geregelt werden. Konkurrenzschutz und Wettbewerbsverbote helfen dabei nicht wirklich. Der Sitz eines aussteigenden Gesellschafters einer Gemeinschaftspraxis kann für die Praxis sehr wertvoll sein. Der Umgang mit dem Verbleib des Sitzes muss deswegen geregelt werden. Konkurrenzschutz und Wettbewerbsverbote helfen dabei nicht wirklich. © New Africa – stock.adobe.com

Irgendwann ist es so weit: Die Gemeinschafts­praxis erlebt ihren ersten Ausstieg. Dann zeigt sich, wie gut der Gesellschaftervertrag durchdacht ist. Wenn die Frage der Zulassung nicht geregelt wurde, hat die ausscheidende Person das Heft in der Hand.

Kündigt ein Mitgesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) seine Gesellschafterstellung, ist das für die übrigen Ärztinnen und Ärzte ein bedeutender Einschnitt. In den meis­ten Gesellschaftsverträgen ist dann geregelt, dass der kündigende Kassenarzt aus der Gesellschaft ausscheidet und ihm eine Abfindung zusteht. Als Leistungserbringer der Gemeinschaftspraxis fällt der Arzt entweder ersatzlos weg oder er muss ersetzt werden. Aber wem gehört die Kassenarztzulassung?

Die Frage nach dem Verbleib der Zulassung ist in den Gesellschaftsverträgen der meisten BAG unzureichend geregelt. Und das, obwohl es wirtschaftlich einen bedeutenden Unterschied macht, ob die verbleibenden Gesellschafter mit oder ohne die Kassenarztzulassung des ausscheidenden Arztes weiter praktizieren. Denn das wirkt sich natürlich auf den Praxisumsatz und die Kostenstruktur der Praxis aus – und damit letztlich auf den künftigen Gewinn der verbleibenden Gesellschafter.

Wichtig zu wissen ist: Es sind nicht die verbleibenden Gesellschafter, die die Nachbesetzung der Kassenarztzulassung des kündigenden Gesellschafters beantragen dürfen, um sich dann z.B. mit einem angestellten Arzt darauf zu bewerben. Es ist der kündigende Gesellschafter, der das Heft des Handelns in der Hand hat. Ob dieser den Sitz in der Gemeinschaftspraxis ausschreibt oder die Zulassung mitnimmt, um sich z.B. mit der Konkurrenz zusammenzutun, entscheidet ausschließlich er selbst.

Gesellschafter müssen vertraglich gebunden werden

Denn der kündigende Gesellschafter allein ist Zulassungsinhaber und nur er kann im Nachbesetzungsverfahren oder bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zum Zwecke der Anstellung auf diese Zulassung verzichten. Für einen entsprechenden Fall sollte also vorab versucht werden, die Gesellschafter vertraglich zu bestimmten Anträgen gegenüber dem Zulassungsausschuss zu zwingen – da der Zulassungsausschuss im Nachbesetzungsverfahren allein entscheidet, können sich Verpflichtungen der Gesellschafter einzig darauf beziehen, bestimmte Anträge stellen zu müssen oder eben nicht stellen zu dürfen.

Regelungen zu Konkurrenzschutz oder Wettbewerbsverboten in den Gesellschaftsverträgen haben an dieser Stelle übrigens nur indirekte Auswirkungen und erfassen das Problem nicht im Kern. Sie sind also nicht ausreichend.

Darüber hinaus wirkt sich der Verbleib der Zulassung aber auch auf die Höhe der Abfindung aus. Schließlich soll diese den wirtschaftlichen Wert der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung abgelten. Es müsste also in den Gesellschaftsverträgen dort, wo es um die Abfindung geht, eine Differenzierung geben, ob die Zulassung in der Praxis verbleibt oder nicht. Ist die BAG sogar zwingend auf den Verbleib der Zulassung in der Praxis angewiesen, sollte die Abfindung entsprechend hoch sein, damit nicht das Kündigungsrecht des Gesellschafters zu stark beeinträchtigt und die Regelung zur Abfindung möglicherweise dadurch unwirksam wird.

Die Höhe der Abfindung birgt großes Konfliktpotenzial

Diese Regelungen sind wichtig – denn auch wenn die verschiedenen Praxisbewertungsverfahren die künftig zu erwartenden Gewinne berücksichtigen, und damit eigentlich auch den Wegfall einer Zulassung, so verbirgt sich hier doch erhebliches Konfliktpotenzial. Wahrscheinlich ist, dass über die Höhe der Abfindung vor Gericht und mittels verschiedener Sachverständiger jahrelang gestritten wird. Denn für die Praxisbewertung sind zunächst Umsätze und Gewinne aus der Vergangenheit relevant, also Ergebnisse mit eben jener Zulassung. Auch stimmt der Bewertungsstichtag meist nicht mit dem Zeitpunkt überein, zu dem feststeht, ob die Zulassung bei der Praxis verbleibt oder nicht. Und die Effekte des Wegfalls einer Zulassung für den Umsatz und vor allem für die Ermittlung künftiger Gewinne sind alles andere als eindeutig.

Medical-Tribune-Bericht

Dr. jur. Michael Haas; Fachanwalt für Medizinrecht, Dresden Dr. jur. Michael Haas; Fachanwalt für Medizinrecht, Dresden © rechtsanwaeltepoeppinghaus.de