Interview Mitarbeiter-Management: Teamkonflikte können wirtschaftlichen Erfolg mindern
doctors|today: Frau Schluckebier, wie oft offenbaren sich bei Ihrer Beratungstätigkeit Teamkonflikte?
Schluckebier: Das Konfliktpotenzial ist in manchen Praxen tatsächlich sehr hoch, allerdings oft erst auf den zweiten Blick, denn viele haben zunächst Hemmungen, das Problem "Teamkonflikt" einzugestehen. Ich versuche das Thema daher von Anfang an positiv zu belegen, z.B. unter dem Motto "Teambuilding", und langsam im Laufe eines Seminars öffnen sich dann die Mitarbeiter:innen. Es gibt aber auch Praxen, die das Thema von Anfang an offen ansprechen und sich z.B. nach einem Kommunikationsseminar für das Team erkundigen und erkannt haben, dass sie externe Hilfe benötigen. Oft muss erst einmal der Stein von jemandem Externen ins Rollen gebracht werden, um dann intern entsprechende Strukturen zur Konfliktlösung und Prävention zu etablieren.
doctors|today: Inwieweit können sich Teamkonflikte auf die Wirtschaftlichkeit der Praxis auswirken?
Schluckebier: Konflikte im Team können höhere Fehlzeiten hervorrufen. Dies kann man als das Ziehen einer Reißleine verstehen: Mit einer AU kann man dem Konflikt zumindest kurzfristig aus dem Weg gehen. Streit, Anschuldigungen und häufige Klärungsgespräche fordern darüber hinaus Zeit und Energie während der Arbeit. Außerdem können Arbeitsabläufe leiden, weil – im schlimmsten Fall sogar absichtlich – z.B. Informationen nicht korrekt weitergegeben werden oder Kommunikation vermieden wird. Die Folge: Zahnradprozesse laufen nicht mehr flüssig, weil ständig jemand Sand ins Getriebe streut. Auch die Außenwirkung kann durch ein schlechtes Praxisklima Schaden nehmen. Wenn Konflikte und schlechte Stimmung nach außen spürbar sind, kann es passieren, dass Patient:innen wegbleiben oder neue Bewerberinnen abgeschreckt sind bzw. Mitarbeiterinnen kündigen.
Kasten 1: Fortbildung zur Zertifizierten Teamleiter:in
Teamkonflikte zu erkennen und zu lösen muss nicht alleinige Aufgabe der Praxisinhaber:innen sein, auch eine Teamleitung – z.B. die Praxismanagerin – kann hierbei Aufgaben übernehmen. Um entsprechende Skills zu fördern, bietet das PKV-Institut den Aufbau-Fernlehrgang "Teamleiterin" für MFAs an. Ziele des Seminars sind u.a. die Optimierung einer positiven, zielorientierten Kommunikation zwischen Praxisleitung und Team, Verbesserung von Kompetenzen in Führung und Motivation, Entwicklung von Teamspirit, um die Praxis voll Elan und Freude zum Erfolg zu führen. Teilnehmer:innen sammeln insgesamt 100 Fortbildungsstunden (= 134 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten) und werden "Zertifizierte Teamleiter:in". Hier geht es zum Fernlehrgang "Teamleiterin" vom PKV-Institut
doctors|today: Mit welchen Strategien und Maßnahmen helfen Sie den Praxisteams, Konflikte anzugehen und zu lösen?
Schluckebier: Kommunikation ist hier das Schlüsselwort. Teammeetings, Mitarbeitergespräche und bestimmte Ablaufprozesse – es fließt nämlich auch immer ein wenig das Qualitätsmanagement hinein. Man hat es während der Pandemie gesehen: Die Praxen, die ein gut funktionierendes QM etabliert hatten, sind deutlich besser durch die Pandemie gekommen, weil es geregelte Abläufe gab und man sich als Team gestützt hat. In Praxen, in denen es bereits vorher an verschiedenen Stellen "geschwelt" hat, ist es nicht selten eskaliert in dieser Zeit.
doctors|today: Praxen sollten also präventive Maßnahmen ergreifen, damit Teamkonflikte erst gar nicht entstehen?
Schluckebier: Prävention ist unglaublich wichtig. Hierbei haben regelmäßige Teamsitzungen eine große Bedeutung. Je nach Praxis und Bedarf können diese alle zwei, vier oder sechs Wochen stattfinden. Entscheidend ist, wie die Teamsitzung gestaltet wird. Häufig ist die Einstellung "alle gehen hin, keiner will da sein", weil der Praxischef Monologe hält und Themen unmotiviert einfach schnell abgehakt werden sollen. Das ist natürlich keine Teamsitzung.
Kasten 2: Teamsitzung als beste Präventionsmaßnahme bei Konflikten
Fünf Tipps, wie das Teammeeting erfolgreich gestaltet werden kann:
- Das Teammeeting ist ein Pflichttermin – ALLE sind da (ausgenommen Urlaub oder Krankheit)!
- Teamsitzung ist Arbeitszeit! Sie sollte nicht nach Feierabend stattfinden.
- Teamsitzungen sind kein Kaffeeklatsch! Selbstverständlich darf auch gelacht werden, aber es sollte nicht in ein Frühstücksevent ausarten, sondern strukturiert durchgeführt werden.
- Alle gestalten die Agenda: Jeder darf vorab in eine Liste (digital, Flipchart, Kladde etc.) Themen eintragen, die ihm oder ihr wichtig sind. Die Vorbereitung des Meetings übernimmt reihum jeder einmal.
- Protokollführung ist wichtig, auch als Informationsquelle für diejenigen, die nicht teilnehmen konnten. Auch hier übernimmt reihum jeder einmal die Protokollierung.
doctors|today: Wie kann man es besser machen?
Schluckebier: Eine gute Teamsitzung wird vorbereitet, jeder nimmt aktiv teil und im besten Fall wird es nicht als notwendiges Übel, sondern als Ereignis wahrgenommen, auf das sich alle freuen. Natürlich müssen und sollen auch Kritikpunkte angesprochen werden, aber es sollte auch gelobt werden und herausgearbeitet, was alles gut gelaufen ist in den vergangenen Wochen. Insbesondere klärende Gespräche – auch solche unter vier Augen – sollten gut vorbereitet werden, um sachlich bleiben zu können und nicht direkt in die Emotionsebene zu fallen. Um die Stimmung im Team zu erfassen, ist es wichtig, die Offenheit zu fördern. Ein tolles Beispiel habe ich neulich aus einer Praxisberatung mitgenommen: Hier hat ein Praxisinhaber ein Stimmungsbarometer etabliert, bei dem die Mitarbeiter:innen, bevor sie ins Wochenende gehen, anonym farbige Smileys anklicken können, die ihre Stimmung in der Praxis wiedergeben. Der Praxischef wertet das aus und sieht sofort, wenn die Stimmung zu kippen droht, weil z.B. drei von fünf Smileys rot sind. Dann kann er eine Teamsitzung einberufen, um herauszufinden, wo der Schuh drückt. Und nicht immer muss das Problem bei den Kolleginnen liegen. Vielleicht gab es auch Stress mit Patient:innen oder ein privates Problem in der Familie führt dazu, dass eine Mitarbeiterin einfach nicht gut drauf ist. Allein dieses Hintergrundwissen kann im Team schon dazu führen, dass der Kollegin mehr Verständnis entgegengebracht wird oder man mit einer zeitweisen Aufgabenumverteilung, z.B. ins Backoffice mit weniger Patientenkontakt, reagieren kann.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Konfliktlösung im Team: Chefs und Chefinnen sollen auch als solche agieren und wahrgenommen werden. Probleme ausschließlich unter den Mitarbeiterinnen lösen zu lassen, kann langfristig nicht funktionieren. Manchmal bedarf es einer offiziellen Erinnerung an Regeln durch die Vorgesetzten, die nicht auf eine MFA oder Praxismanagerin übertragen werden sollte.
doctors|today: Und wenn nichts hilft, wenn keine Konfliktlösung greift?
Schluckebier: Auch wenn es nicht oft vorkommt, es gibt Extremfälle mit regelrechten Anfeindungen, die bis zum Mobbing reichen können. Mit MFAs, die bewusst intrigieren, um andere Kolleginnen ins Messer laufen zu lassen. Nicht selten ist es eine einzelne Person, die Unruhe ins Team bringt. In seltenen Fällen habe ich Praxen gesehen, in denen die Situation so zugespitzt war, dass die einzige Lösung war, sich von dieser einen Mitarbeiterin zu trennen. Es gibt aber natürlich auch den umgekehrten Fall: Eine Mitarbeiterin wird vom Chef schikaniert – kann man auf Gesprächsebene keine Lösung finden, ist manchmal der Wechsel der Mitarbeiterin in eine neue Praxis der einzige Ausweg. Dies sind jedoch Ausnahmen. Bleibt das Team im Gespräch und wird eine offene, vertrauensvolle Kommunikation gefördert, können beginnende Konflikte direkt erkannt und beseitigt werden.
Das Interview führte Yvonne Emard
Autorin
PKV-Institut: Fachl. Beirat und Referentin, u. a. IhF/VERAH-Referentin
E-Mail: schluckebier.iris@gmail.com
Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (4) Seite 46-47
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