Bauchschmerzen bei Kindern: Diagnoseabfolgen und Therapiefahrpläne aus der Praxis
Wie geht man in der Pädiatrie in Praxis und Klinik bei Bauchschmerzen diagnostisch vor und was gibt es bei der Therapiewahl zu beachten? 3 Experten aus der Kinder-/Jugend-Gastroenterologie berichten bei einem Round Table aus ihrem Berufsalltag.1
Patientengespräche sind das A und O
Ein typischer Tag in der Pädiatrie- oder Allgemeinmedizin-Praxis: Ein Kind wippt schüchtern auf dem Stuhl hin und her, ein Elternteil schaut besorgt und erwartet eine sofortige Diagnose für die Bauchschmerzen.
Prof. Dr. med. Jan Däbritz
Kinder- und Jugend-Gastroenterologe
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Greifswald; ehemaliger Direktor der Kinder- und Jugendklinik der Universitätsmedizin Rostock
Prof. Jan Däbritz kennt den nächsten, recht zeitintensiven Schritt: „Bei Kindern mit Bauchschmerz ist eine differenzierte Anamnese die größte Herausforderung. Dazu bedarf es ausführlicher, strukturierter Anamnesegespräche.“
Der Kinder- und Jugend-Gastroenterologe geht im Gespräch gerne strukturiert vor, um nichts zu vergessen – und hält entsprechend auch Checklisten und Fragebögen für hilfreich, bevor er in ein offenes Gespräch übergeht. Auf diese Weise erfährt er relevante Hintergründe und weiß zum Beispiel, dass Bauchschmerzen auch mit Leistungsproblemen und Mobbing in der Schule assoziiert sein können.
Dr. med. Adrian Lieb
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Kinder-Gastroenterologie in Gemeinschaftspraxis, Neu-Isenburg
Diese Erfahrung teilt auch Dr. Lieb: Schulstress hat einen wesentlichen Einfluss auf das Auftreten funktioneller Magen-Darm-Beschwerden, weiß der Arzt, welchem auch das erhöhte Stressaufkommen bei der Umstellung von G9 auf G8 in der Praxis nicht entgangen ist. Der Kinder-Gastroenterologe sagt, er habe meist bei Erstkontakt mit der Patientin oder dem Patienten schon ein Gefühl, in welche Richtung das Gespräch gehen wird. Nach der Diagnose vereinbart er oft einen Folgetermin zur Besprechung der Diagnose und Therapie – auch, um der Patientin oder dem Patienten das Gefühl zu geben, ernstgenommen zu werden.
Prof. Dr. med. Patrick Gerner
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin (Gastroenterologie, Hepatologie)
Leitender Oberarzt, Sektionsleiter
Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin (Universitätsklinikum Freiburg)
Anders läuft es in der Klinik ab. Hier werden laut Prof. Gerner eher Kinder mit längerer bzw. schwerer Problematik vorstellig. Bauchschmerzen seien hier ein großes Feld und reichen von psychischen Ursachen bis hin zu Krebs. Die Differenzialdiagnosen sind demnach komplex. Dennoch stimmt der leitende Oberarzt zu, dass Gespräche und eine gute Anamnese wichtig sind, auch wenn sie viel Zeit kosten.
Die Diagnose ist gestellt – wie kann die Therapie aussehen?
Oft kann man bei Bauchschmerzen viel ausschließen und kommt auf funktionelle Beschwerden bzw. das Reizdarmsyndrom (RDS) zu sprechen, so Prof. Däbritz, und beschreibt das Auftreten von RDS in allen Altersklassen als „multimodales Geschehen“. Der Kinder- und Jugend-Gastroenterologe ist allerdings zurückhaltend bei der Gabe von Arzneimitteln bei RDS. Beide Ärzte sehen gut verträgliche Phytopharmaka als eine gute Therapieoption. Prof. Gerner erwähnt zudem, dass bei ihm bei Kindern ab dem Grundschulalter eine zügige Behandlung wichtig ist.
Über Darreichungsformen und Zusatzstoffe
Gleichzeitig weiß der Experte, dass Eltern beim Thema Zusatzstoffe sehr sensibel sind. Während sich diese oft viel mit dem Beipackzettel beschäftigen, so der Professor, verlassen sich Ärztinnen und Ärzte auf Studiendaten. Dasselbe gilt für den in Arzneimitteln enthaltenen Alkohol.
Prof. Däbritz hat keine Bedenken, wenn die Arzneimittel in dem Alterssegment zugelassen sind und wählt als Beispiel das Phytopharmakon Iberogast®: „Wenn ein alkoholhaltiges Medikament ab 3 Jahren zugelassen ist, setze ich es bei Bedarf auch ein. Betrachtet man die Alkoholmenge in den wenigen Tropfen absolut, so ist das praktisch eine homöopathische Dosis.“ Er selbst setzt den Klassiker besonders bei funktioneller Dyspepsie ein.
Über die bevorzugte Darreichungsform bei Kindern waren sich die Experten einig: Tropfen bzw. Flüssigkeiten punkten mit besserer Dosierbarkeit und sorgen für einen schnellen Wirkeintritt.
Literatur:
1. Round Table „Behandlung von Bauchschmerzen bei Kindern“ vom 09.02.2022. Teilnehmende Ärzte: Dr. Adrian Lieb, Prof. Dr. Jan Däbritz, Prof. Dr. Patrick Gerner.