Therapieansätze bei funktionellen Darmstörungen – Interview mit Dr. med. Klaus Tiedemann
Herr Dr. Tiedemann, funktionelle Darmstörungen kommen immer häufiger vor. Wie sollte der Hausarzt bei der Diagnostik vorgehen?
Die Diagnose Funktionelle abdominelle Beschwerden ist eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, ich muss als Arzt im gebotenen Maße organische Ursachen ausschließen. Dazu gehört eine gründliche Anamnese, die körperliche Untersuchung, gefolgt von Laboruntersuchungen im Blut und im Stuhl. Ob eine Sonografie des Abdomens, eine Gastroskopie und Koloskopie oder weiterführende diagnostische Maßnahmen (Radiologie, Kapselendoskopie) erforderlich sind, hängt vom Einzelfall ab. Generell gilt: Von schnell und kostengünstig zu teuer und zeitaufwendig. Hilfreich ist für die Hausärzte die bio-psycho-soziale Gesamtschau, die sich durch die jahre- und jahrzehntelange Arbeit mit den Patienten ergibt.
In der neuen S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom wird empfohlen, unter anderem STW 5-II zur Linderung von Symptomen beim RDS individuell ins Behandlungskonzept zu integrieren. Was bewirkt das Medikament?
Iberogast Advance besteht aus sechs Heilpflanzenextrakten: Iberis amara wirkt motilitätsregulierend, antientzündlich, schleimhautprotektiv und analgetisch. Kamille enthält Chamazulen, Bisabolol, Flavonoide und Saponine. Sie wirken entzündungshemmend, krampflösend und antibakteriell. Kümmel reduziert Völle und Meteorismus, Krämpfe und Schmerzen und eine Fehlbesiedlung mit Bacteroides und Clostridien. Melisse enthält Gerbstoffe und wirkt antioxidativ und anxiolytisch. Pfefferminze reduziert den Tonus der glatten Muskulatur. Süßholz wirkt antiulzerogen und antientzündlich.
Nun hat eine aktuelle In-vitro-Studie gezeigt, dass STW 5-II multiple antiinflammatorische Effekte aufweisen, sowie die Darmbarriere stabilisieren kann. Wie funktioniert das genau?
Das Phytopharmakon moduliert unter anderem antientzündliche Zytokine. So wird beispielsweise die Genexpression des proinflammatorischen TNF-alpha reduziert. Es fungiert auch als Radikalfänger.
Wie unterscheidet sich die Formulierung vom Klassiker in Bezug auf diese Indikation?
Die Formulierung ist speziell auf den Patienten mit chronisch rezidivierenden funktionellen Beschwerden zugeschnitten, indem besonders Wert auf die entzündungshemmenden und mukosaprotektiven Inhaltsstoffe gelegt wurde. Der Klassiker hat seinen Stellenwert nach wie vor bei akuten Beschwerden, die beispielsweise durch Ernährungsfehler ausgelöst wurden.