Ohne Rauch schadet’s auch Aktuelle Risikobewertung zu Schnupftabak, Nikotinbeuteln und Co.

Autor: Dr. Sascha Gehrken

Im Blister, im Beutel, in der Dose: Die Auswahl an rauchlosen oralen Nikotinprodukten ist groß. Nicht immer ist deren Herz-Kreislauf-Risiko gut erforscht. Im Blister, im Beutel, in der Dose: Die Auswahl an rauchlosen oralen Nikotinprodukten ist groß. Nicht immer ist deren Herz-Kreislauf-Risiko gut erforscht. © ir1ska – stock.adobe.com

Nicht nur der Markt rund um E-Zigaretten entwickelt sich rasant. Auch bei rauchlosen oralen Nikotinprodukten tut sich einiges – besonders beliebt sind sogenannte Pouches. Die American Heart Association hat daher ihre Einschätzung zum Gesundheitsrisiko aktualisiert und geeignete Präventionsmaßnahmen formuliert.

Rauchlose orale Nikotinpräparate lassen sich unterteilen in tabakhaltige und solche, die pflanzliches bzw. synthetisches Nikotin enthalten (s. Kasten unten). Das Gesundheitsrisiko wird bestimmt durch die jeweilige Zusammensetzung und einen etwaigen Mischkonsum, schreibt das Autorenteam um Dr. Cheryl Dennison Himmelfarb von der Johns Hopkins University, Baltimore, im Namen der American Heart Association (AHA).

Neuere Nikotinprodukte, die als tabakfreie Alternativen vermarktet werden, gewinnen vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Popularität. Besonders beliebt sind Nikotinbeutel (sog. Pouches). Diese werden unter die Ober- bzw. Unterlippe oder in die Backentasche gelegt und bleiben dort bis zu 60 Minuten. Sie können den Wirkstoff auf Pflanzenbasis oder synthetisch hergestellt enthalten. In den USA stieg der Gebrauch unter Sechst- bis Zwölftklässlern zwischen 2022 und 2023 von 1,1 % auf 1,5 %. In absoluten Zahlen entspricht das einem Zuwachs von 120.000 Konsumierenden.

Viele Inhaltsstoffe sind nicht für Lebensmittel zugelassen

Das Problem: Über die Langzeitsicherheit sowie die pharmakologischen und metabolischen Effekte von synthetischem Nikotin ist wenig bekannt. Zumal die Beutel nicht nur das Alkaloid beinhalten. In einer Analyse von 48 in Deutschland gekauften Nikotinpouches von 22 Marken fanden sich 186 zusätzliche Substanzen. Dazu zählten Süßungs- und Feuchthaltemittel, Säureregulatoren, Aromastoffe und Füllmasse. Viele dieser Inhaltsstoffe sind nicht für Lebensmittel zugelassen oder als gefährlich bzw. möglicherweise karzinogen klassifiziert, betont das Autorenteam der American Heart Association.

Was die Zusammensetzung von Produkten mit pflanzlichem Nikotin betrifft, so listet die Smokeless Tobacco Chemical Database 233 chemische Verbindungen aus 82 verschiedenen Artikeln. 98 % der Substanzen haben nachweislich toxische Eigenschaften und 30 % gelten als (potenziell) karzinogen.

Bei Erzeugnissen zum oralen Gebrauch stellt sich außerdem die Frage nach der intrinsischen Toxizität von Nikotin – insbesondere auf kardiovaskuläre Erkrankungen bezogen. Werden nikotinerge Acetylcholinrezeptoren aktiviert, steigen Herzfrequenz und Blutdruck, Hautgefäße verengen sich. Darüber hinaus verringert sich die Herzfrequenzvariabilität, die arterielle Steifigkeit erhöht sich und die endotheliale Funktion wird beeinträchtigt.

Einteilung rauchloser oraler Nikotinprodukte

  • tabakhaltig: Kautabak, löslicher Tabak, Schnupftabak (Snuff), Lutschtabak (Oral Snuff, in trockener und feuchter Form verfügbar), Snus (in Schweden konsumierter feuchter Lutschtabak mit stark variierendem Nikotingehalt und niedrigem Nitrosaminanteil)
  • pflanzlich/synthetisch: nicht-therapeutische Kaugummis, Kaubonbons, Lutschtabletten, sublinguale Tabletten, Beutel (Pouches, enthalten nikotinhaltiges Pulver, werden ähnlich wie schwedischer Snus verwendet)

Seit der letzten Risikobewertung der AHA wuchs die Evidenz vor allem im Bereich der tabakhaltigen oralen Produkte. Die meisten epidemiologischen Studien kommen aus Schweden und den USA. In dem skandinavischen Land gibt es eine Besonderheit: Jeder fünfte Mann konsumiert „Snus“, eine Form des Lutschtabaks, die in anderen EU-Ländern verboten ist.

Gepoolte Analysen von prospektiven Kohortenstudien aus Schweden belegen ein erhöhtes Risiko für tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle bei Snus-Nutzenden. Ein Anstieg von Infarkten oder Schlaganfällen insgesamt ließ sich dagegen nicht nachweisen. Anders in einigen US-Kohorten: Dort führte der Konsum von rauchlosen Tabakprodukten zu mehr kardialen Erkrankungen und Schlaganfällen. Aus den Daten geht auch hervor, dass die Herzgefahr dieser Präparate deutlich geringer ist als die, die von Zigaretten ausgeht.

Möglicherweise mehr Mundhöhlenkarzinome

Für die neueren Nikotinbeutel fehlen entsprechende Studien bislang. Das bedeutet laut AHA aber nicht, dass der Gebrauch sicher ist. Rauchlose orale Produkte machen süchtig und können sich negativ auf einige kardiovaskuläre Risikomarker auswirken, stellt das Autorenteam klar. Hinzu kommt eine mögliche Häufung von Mundhöhlenkarzinomen durch rauchlosen Tabak. Bestätigen ließ sich dieses Risiko fast ausschließlich in US-amerikanischen und nicht in schwedischen Studien.

Bitterer Beigeschmack 

Ob Minze, Menthol oder „Wintergreen“ – Aromastoffe spielen eine Schlüsselrolle bei rauchlosen oralen Nikotinpräparaten. Sie können dazu genutzt werden, den pH-Wert der Produkte zu senken und sie dadurch bekömmlicher machen. Zudem überlagern sie den Eigengeschmack und das Mundgefühl von Nikotin. All das führt dazu, dass sie den Einstieg in die Sucht sowie den anhaltenden Konsum erleichtern. Die American Heart Association fordert daher ein Verbot aller charakteristischen Aromen und Süßungsmittel.

Die AHA hat das erklärte Ziel, die Nikotinsucht aus der Welt zu schaffen. Um den Tabakkonsum zu unterbinden, gelten Steuererhöhungen als eine der wichtigsten evidenzbasierten Strategien. Die Fachgesellschaft empfiehlt neben einer Ausweitung der Steuer auf tabakfreie Nikotinprodukte u. a. Verkaufseinschränkungen, strengere Werberegeln insbesondere auf Social-Media-Plattformen sowie ein Verbot von Geschmacksstoffen (s. Kasten oben).

Im medizischen Alltag soll bei allen Patientinnen und Patienten der Gebrauch jeglicher Nikotinprodukte erhoben und über deren Risiken aufgeklärt werden. Zur Entwöhnung stehen die etablierten pharmakologischen und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen im Vordergrund. In Einzelfällen kann man bei Raucherinnen und Rauchern zwar einen Switch auf kommerzielle rauchlose Präparate unterstützen. Nikotinbeutel z. B. seien aber auf die Sucht ausgelegt und müssten wahrscheinlich modifiziert werden, um eine Zulassung als Entwöhnungstherapie zu erhalten, heißt es im Statement der AHA.

Quellen:
1. Dennison Himmelfarb et al. Circulation 2025; 151: e1-e21; doi: 10.1161/CIR.0000000000001293
2. rauchfrei-info.de; zuletzt abgerufen am 15.01.2025