Kasuistik Aortendissektion mal drei
Die Leidensgeschichte des Patienten beginnt 2012: Eine akute Typ-A-Aortendissektion muss notfallmäßig offen-chirurgisch versorgt werden, leitet Prof. Dr. Tilo Kölbel vom Deutschen Aortenzentrum Hamburg die Kasuistik ein. In einem auswärtigen Krankenhaus unterzieht sich der Mann einem Hemibogenersatz und einer Aortenwurzelrekonstruktion nach David. 2014 fällt in den Verlaufskontrollen eine Erweiterung des Durchmessers der thorakalen Aorta auf. Der notwendige Aortenersatz erfolgt erneut in einer auswärtigen Klinik. Bei diesem laut Prof. Kölbel aufwendigen Zweihöhleneingriff kommt es perioperativ zu einem Schlaganfall mit Dysphaghie und Hemiplegie. Der Patient wird schwerstpflegebedürftig.
9,5 cm großes Pseudoaneurysma im Aortenbogen
Sprung ins Jahr 2021: Der Mann ist inzwischen 65 Jahre alt. Wegen zunehmender Brustschmerzen, Ruhedyspnoe und Erstickungsempfinden wird er in der Klinik von Prof. Kölbel vorgestellt. Die CT-Angiografie offenbart ein 9,5 cm großes Pseudoaneurysma im Aortenbogen mit Trachealkompression. Als anatomische Variante findet sich ein unabhängiger Abgang der A. vertebralis links aus dem Aortenbogen. Damit gibt es vier Gefäße, die offen oder endovaskulär angeschlossen werden müssen: Truncus brachiocephalicus, A. carotis communis links, A. vertebralis links und A. subclavia links. Zudem hat die Dilatation des Falschlumens der residuellen Typ-A-Dissektion zu einem thorakoabdominellen aortoiliakalen Aneurysma Typ IV geführt.
Dreifach verzweigte Prothese implantiert
Eine erneute offene Operation lehnt der Patient ab. Einem interventionellen Eingriff mit der Einbringung einer dreifach verzweigten Aortenbogenprothese über Zugänge an A. femoralis, A. brachialis und A. carotis communis stimmt er hingegen zu. Unter Intubationsnarkose wird zunächst ein Bypass von der A. carotis communis links auf die A. subclavia links angelegt. Danach platziert das Ärzteteam die Stentprothese. Da das Risiko für eine Rückenmarkdurchblutungsstörung in den ersten 48 Stunden am größten ist, wird die neurologische Funktion zunächst auf der Intensivstation überwacht, schreibt Prof. Kölbel. Nach seiner Entlassung berichtet der Patient von einer deutlichen Besserung der Beschwerden.
In einem stationären Aufenthalt drei Monate später erfolgt noch die Versorgung des thorakoabdominellen aortoiliakalen Aneurysmas, um einer weiteren Dilatation und Ruptur vorzubeugen. Hierbei werden eine maßgefertigte fünffach gebranchte und einfach fenestrierte Stentprothese sowie iliakale Seitenastprothesen implantiert. Die Kontrolluntersuchung nach einem Jahr zeigt einen deutlichen Rückgang der Durchmesser der behandelten Aneurysmen. Alle Seitenäste sind offen.
Quelle: Köbel T. Hamburger Ärzteblatt 2024; 78: 36-37 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg