Asthmamanagement Asthma ist fluide

Autor: Dr. Nils Bröckelmann

Für das Asthmamanagement ist es von großer Bedeutung, den Phänotyp der Erkrankung richtig zu erkennen. Für das Asthmamanagement ist es von großer Bedeutung, den Phänotyp der Erkrankung richtig zu erkennen. © bobex73 – stock.adobe.com

Unter Asthma fasst man heute verschiedene Ausprägungen einer komplexen Atemwegserkrankung zusammen. Der initial diagnostizierte Phänotyp ist jedoch nicht zwingend ein Leben lang gesetzt, sondern kann sich durch Infektionen, Komorbiditäten und Umwelteinflüsse wandeln. 

Die Einteilung des Asthmas in extrinsisch und intrinsisch ist weitgehend obsolet. Nach aktuellem Kenntnisstand gibt es zwischen diesen beiden Kategorien mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, schreiben Prof. Dr. ­Fabio  ­Ricciardolo von der Universitätsklinik Turin und Kollegen. Heute unterscheidet man anhand des Ausmaßes der Typ-2-Inflammation zwischen T2-high- und T2-low-Asthma, denen jeweils mehrere Phänotypen zugeordnet sind. Kriterien für die Unterteilung umfassen z.B. Alter bei Erstmanifestation, Symptomkontrolle, Exazerbationen, Lungenfunktion, Biomarker und Ansprechen auf die Therapie. In der Regel stecken hinter jedem Phänotyp der Erkrankung eine Vielzahl von patho­physiologischen Mechanismen, die interagieren und zum Overlap zwischen den verschiedenen Ausprägungen führen können.

T2-high-Asthma

Etwa 50 % der Patienten mit schwerem Asthma fallen in die Kategorie T2-high. Bei diesem Endotyp spielen Typ-2-Helferzellen und verschiedene assoziierte T2-Zytokine (z.B. IL-4 und IL-13) eine zentrale Rolle. Kennzeichnend sind zudem erhöhte Eosinophilenwerte in Sputum und peripherem Blut. Der Begriff eosinophiles Asthma ist den Autoren zufolge quasi ein Synonym für T2-high-Asthma. Man unterscheidet drei Phänotypen des T2-high-­Asthmas:

  • Allergisches Early-onset-Asthma. Hinter diesem Phänotyp steckt vermutlich eine genetische Veranlagung. Ge­triggert durch Allergenexposition und andere Stimuli (z.B. virale Infekte, Luftverschmutzung, Zigarettenrauch) führt sie bereits in jungen Jahren zum manifesten Asthma – oftmals als Teil des atopischen Marschs. Die Erkrankung kann das ganze Leben lang bestehen. Diagnostisch wegweisend sind neben der Anamnese drei Biomarker: erhöhte Eos in Sputum bzw. Blut, erhöhtes FeNO in der Atemluft und spezifische IgE-Immunglobuline im Serum.

  • Nicht-allergisches Late-onset-Asthma. Dieser Phänotyp tritt erst im Erwachsenenalter auf. Zwar kommt es auch in diesem Fall zur T2-Immunantwort, doch fehlt die atopische Komponente, spezifisches IgE lässt sich nicht nachweisen. Je nach Schweregrad der Erkrankung besteht eine ausgeprägte Eosinophilie, die häufig selbst auf hohe ICS-Dosen nicht oder nur schlecht anspricht.

  • Analgetikaasthma. Treten die Atemwegsbeschwerden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einnahme von COX-1-Inhibitoren (z.B. Acetylsalicylsäure) auf, spricht man von einem Analgetikaasthma. Eine sogenannte Samter-Trias liegt vor, wenn eine Reaktion auf NSAR, Asthma und Nasenpolypen zusammentreffen. Sowohl ein allergisches Asthma als auch eine allergische Rhinitis können bereits vor der erstmaligen Reaktion auf das Analgetikum bestehen, bei Kindern und Erwachsenen. Trotzdem ist das Analgetikaasthma keine allergische Reaktion, spezifische IgE-Antikörper werden nicht gebildet, betonen die Autoren.

T2-low-Asthma

Unter den Begriff T2-low-Asthma fällt – kurz gesagt – alles, was nicht die typischen Eigenschaften eines T2-high-Asthmas aufweist. Unterschieden wird anhand der Granulozyten im Sputum zwischen einem neutrophilen (starke Neutrophilie, schwache Eosinophilie), gemischten (starke Neutro- und Eosinophilie) und paucigranulozytären Asthma (schwache Neutro- und Eosinophilie). Schwere Erkrankungen treten besonders bei neutrophilen und gemischten Formen auf. Hinter einem T2-low-Asthma stecken aktivierte T1- und T3-Signalwege, dementsprechend IL-12 bzw. IL-17. In ersterem Fall spielen virale Infektionen als Trigger eine wichtige Rolle, in letzterem kommt es häufig zur Steroidresistenz. Insbesondere beim pauci­granulozytären Asthma steht den Autoren zufolge weniger die Inflammation als der Umbau der Atemwege im Vordergrund. Spezifische Biomarker für das T2-low-Asthma gibt es (noch) nicht, so die Autoren. Es werde jedoch daran geforscht. Man unterscheidet folgende Phänotypen:

  • Raucherasthma. Etwa 50 % aller Asthmatiker sind aktuelle oder Ex-Raucher. Inhalierter Tabakqualm provoziert einen Asthmatyp, der u.a. durch eine vergleichsweise rasche Verschlechterung der Lungenfunktion, schlechte Krankheitskontrolle bzw. häufige Exazerbationen gekennzeichnet ist. Oxidativer Stress und Neutrophilie aktivieren proinflammatorische Mediatoren. Aufgrund des stark geschädigten Lungengewebes sind Patienten mit Raucherasthma besonders anfällig für mikrobielle Infektionen.

  • Altersasthma. Tritt die Erkrankung erstmals jenseits des 65. Lebensjahres auf, spricht man von einem Altersasthma. Es sollte nicht mit einem Early-onset-Asthma verwechselt werden, das bis ins hohe Alter bestehen bleiben kann, betonen die Review­autoren. Typisch für ein Altersasthma sind eine Neutrophilie im Sputum und häufig auch eine Kortikoid­resistenz. Die Zusammenhänge sind noch unklar.

  • Adipositasassoziiertes Asthma. Übergewicht geht häufig mit der Entwicklung eines neutrophilen Asthmas einher, meist vom Late-onset-Typus. Frauen sind häufiger betroffen. Aktuelle Studiendaten deuten auf einen genetischen Zusammenhang zwischen Übergewicht und nicht-allergischem Asthma hin. Eine Rolle spielt offenbar auch IL-6. Meist nimmt die Erkrankung einen schweren Verlauf inklusive Steroidresistenz.

70 % zeigten einen Overlap von T2- und Nicht-T2-Asthma

Den Phänotyp richtig zu erkennen ist für das Asthmamanagement von großer Bedeutung. Allerdings können sich die verschiedenen Ausprägungen entwickeln bzw. überlappen. Bei Patienten mit Early-onset-Asthma können Umwelteinflüsse mit den Jahren die anfängliche T2-Dominanz zugunsten eines nicht-T2-assoziierten Asthmas zurückdrängen. In einer aktuellen Real-Life-Studie wurde die Verteilung der Phänotypen bei Patienten mit Asthma unterschiedlichen Schweregrads untersucht. Mehr als 70 % der Teilnehmer zeigten einen Overlap zwischen T2- und nicht-T2-assoziierten Phänotypen. Bei komplexen Mischformen, die meist im mittleren und höheren Lebensalter auftraten, war das klinische Outcome besonders schlecht. Auch verschiedene T2-Phänotypen können gemeinsam auftreten, meist ist eine allergische Komponente darunter. Bei der Orientierung helfen die Cut-off-Werte von sIgE, Eos und FeNO

Östrogene und Progesteron beeinflussen den Phänotyp

Asthma wird zudem durch das geschlechts- und altersabhängige hormonelle Geschehen modifiziert. Während in der Kindheit eher Jungen als Mädchen an Asthma leiden, ist im Erwachsenenalter der Frauenanteil höher. Beim Phänotyp spielen möglicherweise Östrogen und Progesteron eine Rolle. Vor allem in der perimenstruellen Phase und während der Schwangerschaft führen diese Hormone über T2-high-Mechanismen zu verstärkten Asthmasymptomen. Sinken die Hormonspiegel in der Postmeno­pause, treten T2-low- bzw. T1-Mechanismen in den Vordergrund.

Angesichts der potenziell möglichen Veränderungen und Überlappungen raten die Autoren dazu, den Phänotyp regelmäßig zu überprüfen. Dies gilt insbesondere bei Patienten mit schlechter Krankheitskontrolle, unzureichendem Ansprechen auf Steroide sowie bei Verschlechterung der Symptomatik. 

Quelle: Ricciardolo FLM et al. Eur Respir Rev 2023; 32: 220201; DOI: 10.1183/16000617.0201-2022