Rheumaschub Auf der Suche nach Evidenz für eine verbreitete Annahme
Potenziell können alle Mikroorganismen, die mit dem Immunsystem interagieren, die Balance zwischen Toleranz, Abwehr und Autoimmunität modifizieren. Deshalb gehe man heute davon aus, dass für manche Autoimmunerkrankungen Mikroorganismen die Trigger sind, hob Dr. Johanna Mucke von der Universität Düsseldorf hervor, etwa für die ACPA-positive rheumatoide Arthritis (RA) oder für den systemischen Lupus erythematodes (SLE). Als mögliche Mechanismen werden molekulare Mimikry, Superantigene oder eine B-Zell-Autoimmunitätsverstärkung diskutiert.
Mit der Frage, ob Infektionen bei schon bestehender entzündlich-rheumatischer Erkrankung Schübe auslösen, haben sich bisher nur sehr wenige Studien beschäftigt, wie sich bei Dr. Muckes intensiver Literaturrecherche herausstellte. In einer chinesischen Kohorte wurden 105 SLE-Patienten auf das Zytomegalievirus untersucht. Bei 42 war das Virus bei Erstmanifestation nachweisbar, bei 31 im Krankheitsschub und bei 32 in einem lupusähnlichen Schub. Diese Daten seien leider wenig aussagekräftig, sagte Dr. Mucke.
Vereinzelte Lupusschübe durch Parvovirus B19
Für das Epstein-Barr-Virus gibt es in der Literatur ebenfalls keinen eindeutigen Hinweis auf vermehrte Schübe bei Infektion. Allerdings ist die Viruslast bei SLE-Patienten mit aktivem Lupus höher. „Daraus zu schließen, dass EBV Lupusschübe auslösen kann, fällt mir schwer“, meinte die Kollegin. Beim Lupus erythematodes führte in einzelnen Fällen Parvovirus B19 (Ringelröteln) zum Aufflackern der Erkrankung. Auch die rheumatoide Arthritis soll durch Parvovirus B19 ausgelöst werden können – allerdings sind hierzu die Daten diskrepant.
Zum generellen Schubrisiko nach Infektionen hat Dr. Mucke eine einzige Arbeit gefunden. Darin war bei 203 SLE-Patienten und 1.060 Patientenjahren das gesamte Schubrisiko nach Infektionen knapp verdoppelt (Hazard Ratio, HR = 1,9). Das Risiko für schwere Schübe nach einer schweren Infektion lag mit einer HR von 7,4 deutlich höher – allerdings mit einem breiten Konfidenzintervall. Zwischen schweren Infektionen und milden Schüben fand sich keine Assoziation.
Weitere Daten konnten durch die Pandemie gesammelt werden. In einer Studie von 2021 betrug die Schubrate bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen 34,2 % nach SARS-CoV-2-Infektion, im Vergleich zu 12,7 % bei Nichtinfizierten. In einer anderen Studie kam man auf eine infektionsbedingte Schubrate von 41 %. Bei diesen beiden Publikationen müsse bedacht werden, dass sie auf der Selbsteinschätzung der Betroffenen beruhen, gab Dr. Mucke zu bedenken. Zudem hatte jeweils etwa die Hälfte der Rheumapatienten aufgrund ihrer SARS-CoV-2-Infektion die antirheumatische Medikation reduziert oder pausiert. Mit einem erheblichen Bias müsse daher gerechnet werden.
Die Influenzaimpfung führt bei RA zu keiner erhöhten Krankheitsaktivität. Das Gleiche gilt für den SLE, allerdings kommt es nach Vakzination gelegentlich zu einer transienten Erhöhung der Antikörper. Rheumafaktor, ANA, ENA, ANCA und APL-Titer können allerdings auch bei Gesunden kurz ansteigen.
Einzelne Berichte nennen eine durch die HBV-Impfung erhöhte Schubrate bei SLE-Patienten. Es gibt allerdings Untersuchungen, in denen die Frequenz nicht anstieg. Eine Studie mit 85 Probanden zeigte bei acht Teilnehmern eine transiente Erhöhung von APL-Antikörpern nach HBV-Vakzination. Die Impfung gegen Pneumokokken schien weder das Schubrisiko für Lupus noch für RA zu erhöhen.
Ein großes Thema in Zeiten der Pandemie ist die Frage, ob die Coronaimpfung rheumatische Schübe auslöst. Dazu gibt es Daten aus vier großen Impfregistern. Demnach lagen die Schubraten nach Vakzination zwischen 1,5 % und 15 %. Zum Vergleich: Die geschätzte Rate ohne COVID-19 und ohne Impfung beträgt etwa 7 %.
Insgesamt sind die Daten zur Frage, ob Impfungen oder Infektionen Schübe bei Autoimmunerkrankungen auslösen können, spärlich, resümierte Dr. Mucke. Sie geht weiterhin davon aus, auch wenn eine absolute Aussage schwierig ist.
Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2022