Akupunktur Bahn frei für die Lebensenergie

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Von der Wirkung her gehört die Akupunktur zur Gruppe der Reiztherapien. Von der Wirkung her gehört die Akupunktur zur Gruppe der Reiztherapien. © blackday – stock.adobe.com

Die Akupunktur ist bei chronischen nicht-radikulären Schmerzen der Lendenwirbelsäule zwar eine Kassenleistung, über die Evidenz des Verfahrens wird aber nach wie vor diskutiert. Ein Anästhesiologe erklärt, was man mit der Behandlungsmethode bei chronischen Lendenwirbelproblemen erreichen kann.

Die Akupunktur gehört eindeutig zum Arsenal einer multimodalen Schmerzbehandlung, meint Dr. Günther Bittel, Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie am Medizinischen Versorgungszentrum Duisburg-West. Die fernöstliche Nadelbehandlung verbessere den Energiestatus und die Regulationsfähigkeit des Patienten, wodurch es mit der Zeit zu positiven strukturellen Veränderungen komme. Als Monotherapie von LWS-Beschwerden sei das Verfahren aber in keinem Fall geeignet.

Von der Wirkung her gehört die Akupunktur zur Gruppe der Reiztherapien, schreibt Dr. Bittel. Die Nadeln werden an besonders sensiblen Punkten auf der Körperoberfläche platziert. Gleichfalls von Bedeutung sind Stichtechnik und -tiefe. Eine sanfte Stimulation wirkt anregend, eine stärkere sediert, übermäßiger Reiz wirkt blockierend.

Schmerzpatienten, die sich gegen die Diagnose einer psychischen Erkrankung sträuben, können über die Akupunktur den Zugang zur Psychosomatik finden. Das gelingt zum Beispiel, indem man ihnen die emotionale Bedeutung einzelner Akupunkturpunkte oder der Meridiane erklärt.

Nach dem klassischen Bild der traditionellen chinesischen Medizin fließt die als Qi bezeichnete Lebensenergie durch die Meridiane. Dass ein gestörter Fluss aber Krankheiten zur Folge hat, lässt sich wissenschaftlich nicht nachvollziehen, anatomisch nachweisen lassen sich diese Leitungsbahnen nicht, räumt Dr. Bittel ein. Sensible Patienten würden sie aber bei der Therapie als Parästhesie über den gesamten Meridian hinweg beschreiben.

Akupunkturpunkte zeigen erniedrigten Hautwiderstand

Akupunkturpunkte kann man fühlen und tasten, schreibt der Autor. Sie sind besonders empfindlich und zeigen einen erniedrigten Hautwiderstand. Häufig handelt es sich bei ihnen um Durchtrittspunkte kleiner Gefäße und Nervenendigungen. Nachgewiesenermaßen kommt es an den behandelten Akupunkturpunkten zur Freisetzung von Gewebshormonen, erkennbar an einem roten Hof um die Nadel. Zudem konnte in der funktionellen MRT gezeigt werden, dass die Nadelung exakt definierter Punkte das Schmerzzentrum im Gehirn beeinflusst, erläutert Dr. Bittel.

Nach seiner Überzeugung ist somit die Annahme widerlegt, wonach es gleichgültig ist, wo man die Nadel einsticht. Zwar erzielt die Scheinakupunktur einen starken Placeboeffekt und zeigt unspezifische Wirkung im Sinne einer Gegenirritation. Die echte Akupunktur ist ihr aber überlegen, versichert Dr. Bittel.

Von Bedeutung ist die sogenannte Erstverschlimmerung. Das heißt, dass sich nach zwei oder drei Sitzungen die Symptome verstärken können oder neue Beschwerden auftreten. Darüber sollte man mit den Patienten unbedingt sprechen. Nach der Gegenregulation ist mit einer zunehmenden Besserung zu rechnen.

Quelle: Bittel G. Schmerzmedizin 2023; 39: 50-53; DOI: 10.1007/s00940-022-4074-0