Beispiel Schweiz Bariatrische Operation kann sich auch schon bei BMI < 35 lohnen

Autor: Maria Weiß

Operiert werden kann in der Schweiz schon ab 30 kg/m2. Operiert werden kann in der Schweiz schon ab 30 kg/m2. © Portra/gettyimages

Der Begriff „Ultima Ratio“ sollte im Zusammenhang mit chirurgischen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion heute eigentlich passé sein. Denn Menschen mit Typ-2-Diabetes können auch bei noch relativ mild ausgeprägter Adipositas bereits deutlich profitieren.

Dazu berichtete Professor Dr. arco Bueter von der Klinik für Viszeralchirurgie am Spital Männedorf von seinen Erfahrungen aus der Schweiz. Hier ist die bariatrische Operation seit letztem Jahr normale Pflichtleistung der Krankenkassen, wenn der BMI zwischen 30 und 35 kg/m2 liegt und die Therapieziele beim Typ-2-Diabetes über zwölf Monate nicht erreicht werden, was an einem HbA1c-Wert von über 8 % festgemacht wird. 

Anstoß für die Entscheidung war eine Metaanalyse von elf kontrollierten randomisierten Studien aus dem Jahr 2016, in der bariatrische Operationen bei Personen mit einem BMI < 35 kg/m2 mit Lebensstilinterventionen plus Medikamenten verglichen wurden.1 Hier zeigte sich, dass die Patienten mit einem BMI von 30–35 kg/m2 hinsichtlich des HbA1c-Wertes genauso profitieren wie Adipöse mit einem BMI > 35 kg/m2. Schon damals kam ein internationales Expertenteam aufgrund der Evidenz zu dem Schluss, dass bereits bei einem BMI von 30–35 kg/m2 eine Operation erwogen werden kann, wenn die Ziele der Diabetestherapie nicht erreicht werden.

Inzwischen liegen auch 5-Jahres-Ergebnisse vor, nach denen 51 % der Patienten nach einem Magen-Bypass immer noch einen HbA1c-Wert < 7 % hatten – 22,4 % hatten ohne antidiabetische Medikation einen HbA1c-Wert ≤ 6 %.2 Auch erste 10-Jahres-Ergebnisse aus einem Zentrum in Rom zeigen einen hohen Anteil von Patienten (37,5 %), die auch nach diesem langen Zeitraum immer noch keine antidiabetischen Medikamente benötigen.3  

Nach dieser Evidenzlage stellt sich eigentlich nur noch die Frage, was das beste Zeifenster für die bariatrische Chirurgie ist. Um dies festzustellen, wurde in der Schweiz ein Komitee aus einem Chirurgen und Ethiker*innen, Ökonom*innen, Epidemiolog*innen und Medizinrechtler*innen eingesetzt. Die Gruppe kam zu dem Schluss, dass bariatrische Operationen auch bei einem BMI zwischen 30 und 35 kg/m2 nicht nur klinisch von Vorteil sein können, sondern unter dem Strich auch kostensparend sind. „Wenn Sie in der Schweiz den richtigen Knopf drücken wollen, müssen Sie immer mit Kosteneinsparungen kommen, das hilft“, sagte dazu Prof. Bueter.

Bariatrische Operationen nun im Pflichtleistungskatalog

Das vorher praktizierte Vorgehen, erst ein bis zwei Jahre vergebliche konservative Therapie zu fordern, sei somit nicht unbedingt gerechtfertigt. Eine daraufhin gegründete  Taskforce hat dann erreicht, dass die bariatrischen Operationen in den Pflichtleistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wurden. Wichtigstes Argument war auch hier die enorme Kostenersparnis. 

„Wichtig war den Krankenkassen dabei, dass die Zuweisung zur Chir­urgie immer durch einen Endokrinologen erfolgen muss und die Indikation interdisziplinär in Boards gestellt wird“, erklärte der Referent. „Zudem darf der Eingriff nur in entsprechenden Referenzzentren durchgeführt werden.“

Metabolische Chirurgie ist aus seiner Sicht weder „Ultima Ratio“ – „diese Diskussion müssen wir endlich hinter uns lassen“ – noch muss sie in jedem Fall so früh wie möglich erfolgen, so Prof. Büter. „Sie sollte aber fester Bestandteil der Therapiealgorithmen bei Typ-2-Diabetes und Adipositas sein und auch schon bei einem BMI zwischen 30 und 35 kg/m2 in Erwägung gezogen werden können.“

Literatur
1. Cummings DE et al. Diabetes Care 2016; 39: 924-933; doi: 10.2337/dc16-0350
2. Schauer PR et al. N Engl J Med 2017; 376: 641-651; doi: 10.1056/NEJMoa1600869
3. Mingrone G et al. Lancet 2021; 10271 (397): 293-304; doi: 10.1016/S0140-6736(20)32649-0

Diabetes Kongress 2022