Kommunikation Arzt/Patient Bei der Symptomschwere und der Beeinträchtigung der Lebensqualität schieden sich die Geister
Patienten und Ärzte haben häufig eine unterschiedliche Meinung, was den Schweregrad einer Hauterkrankung anbelangt. Dieses Phänomen – auch „discordant severity grading“ (DSG) genannt –, schadet der Arzt-Patienten-Beziehung. Welche kognitiven, verhaltensbezogenen und krankheitsbezogenen Faktoren stehen mit dem DSG in Verbindung? Um diese Frage zu beantworten, hatten Dr. Valencia Long vom National University Health System in Singapur basierend auf den Daten einer qualitativen Studie ein theoretisches Modell entwickelt. Dieses Modell haben sie in einer prospektiven quantitativen Querschnittsstudie validiert.
Patient und Arzt bewerten auf numerischer Skala
Die Rekrutierung fand zwischen Oktober 2021 und September 2022 in drei ambulanten dermatologischen Zentren in Singapur statt. Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 99 Jahre alt und litten seit mindestens drei Monaten an Psoriasis oder Neurodermitis. Sowohl die Patienten als auch ihre behandelnden Ärzte wurden gebeten, die Krankheitsschwere auf einer numerischen Bewertungsskala (0–10) einzuschätzen. Eine positive Diskordanz lag laut Definition vor, wenn die Einschätzung der Patienten um mehr als zwei Punkte höher ausfiel als die der Ärzte. Eine negative Diskordanz bedeutete, dass die Einschätzung der Patienten um mehr als zwei Punkte niedriger war. Die Bewertung der Zusammenhänge von Patienten-, Arzt- und Krankheitsfaktoren und der unterschiedlichen Einstufung erfolgte mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse und anschließender Strukturgleichungsmodellierung (SEM).
Von den insgesamt 1.053 Teilnehmenden hatten 76,2 % ein atopisches Ekzem und 23,8 % eine Psoriasis. Das Geschlechterverhältnis bei den 44 Ärzten war in etwa ausgeglichen, 54 % waren zwischen 31 und 40 Jahre alt. Teilgenommen hatten 20 Oberärzte und 14 beratende oder Belegärzte. Median kamen auf jeden Mediziner fünf Patienten. In 487 Fällen wich die Einschätzung der Krankheitsschwere von Patienten und Ärzten deutlich voneinander ab: 447 Mal stuften die Patienten ihre Krankheit als schwerer ein, in den anderen 40 Fällen waren es die Ärzte.
Die Auswertung zeigte, dass die positive Diskordanz mit schweren ausgeprägten Symptomen und stärker beeinträchtigter Lebensqualität assoziiert war, nicht mit demografischen Merkmalen. Eine stärker beeinträchtigte Lebensqualität war u.a. wiederum mit einer geringeren Resilienz, der Neigung zu negativen sozialen Vergleichen und niedrigerer Selbstwirksamkeit verbunden.
Quelle: Long V et al. JAMA Dermatol 2023; DOI: 10.1001/jamadermatol.2023.2008