Bei intrakraniellen Stenosen sind Medikamente wichtiger als Stents
Nicht nur verschleppte Blutgerinnsel, sondern auch atherosklerotisch bedingte Stenosen der Hirnarterien können Ursachen eines ischämischen Schlaganfalls sein. Aufgrund des angenommen hohen Rezidivrisikos bei solchen intrakraniellen Stenosen wird in einigen Ländern häufig perkutan ein Stent implantiert.
Mehr symptomatische Engstellen im Alter
Zweifel an diesem Vorgehen ließen 2011 und 2015 die Studien SAMMPRIS und VISSIT aufkommen. Sie konnten keinen Vorteil des Stentings im Vergleich zu einer alleinigen intensiven medikamentösen Therapie zeigen. Die Teilnehmer dieser Untersuchungen waren jedoch relativ jung (medianes Alter < 60 Jahre), was zur Diskussion über die Verallgemeinerbarkeit führte. Denn in den Kontrollgruppen traten weniger Schlaganfallrezidive auf als erwartet.
Bleibt die Frage, wie groß bei symptomatischen intrakraniellen Stenosen die Gefahr für ein erneutes Ereignis eigentlich ist. Eine Antwort geben nun Robert Hurford von der University of Oxford und Kollegen. Die Forscher schauten sich Daten der OXVASC-Studie an. Dabei handelt es sich um eine prospektive Untersuchung, in die alle vaskulären Ereignisse von knapp 93 000 Bewohnern des Landkreises Oxfordshire aufgenommen werden. Die aktuelle Analyse umfasst 1368 Patienten, die zwischen 2011 und 2018 eine transitorische ischämische Attacke oder einen Minor-Schlaganfall erlitten hatten und bei denen eine intrakranielle Bildgebung (z.B. MR-Angio) vorlag. Behandelt wurden sie alle pharmakologisch und nicht mittels Stent.
Bei 241 Teilnehmern fanden sich insgesamt 385 asymptomatische oder symptomatische intrakranielle Stenosen mit einer Einengung zwischen 50 und 99 %. Die Prävalenz symptomatischer Engstellen (50–99 %) stieg mit dem Alter: von 4,9 % bei den unter 70-Jährigen auf 19,6 % bei über 90-Jährigen. Im medianen Follow-up von 2,8 Jahren erlitten 14,9 % der Patienten mit symptomatischer Stenose ein Schlaganfallrezidiv.
Kritische Studienergebnisse auf die Praxis übertragbar
Bei einer 70–90%igen symptomatischen Verengung war das Risiko für einen erneuten Apoplex im selben Stromgebiet tendenziell geringer als in den medikamentös behandelten Gruppen der eingangs erwähnten Studien (z.B. 5,6 % vs. 9,4 % nach einem Jahr). Dies weist den Autoren zufolge darauf hin, dass sich die Ergebnisse von SAMMPRIS und VISSIT durchaus auf den Klinikalltag übertragen lassen. Und darauf, dass eine intensive Pharmakotherapie wichtiger ist als ein Stent – unabhängig vom Patientenalter.
Quelle: Hurford R et al. Lancet Neurol 2020; 19: 413-421; DOI: 10.1016/S1474-4422(20)30079-X