Aortenstenose Bei unklarer Dyspnoe und reduzierter Belastbarkeit genau hinhorchen
Eine Frau in den 80ern hatte in kurzer Zeit erheblich an Belastungstoleranz enigebüßt. Schon nach einer Gehstrecke von weniger als hundert Metern musste sie innehalten, um wieder zu Atem zu kommen. Ein Jahr zuvor hatte sie noch problemlos deutlich längere Strecken zu Fuß bewältigen können.
Bei der klinischen Untersuchung fiel ein leises systolisches Geräusch auf, dass der Arzt aber als nicht relevant für die Beschwerden einstufte. Er ordnete die Probleme der alten Dame vielmehr einer mikrozytären Anämie zu, die die Laboruntersuchung zu Tage brachte. Doch auch eine orale Eisentherapie konnte die Symptomatik nicht bessern, berichtet eine Autorengruppe um Dr. Harriet Hurrell vom St Thomas’ Hospital in London.
Die Belastbarkeit verschlechterte sich in den folgenden Monaten weiter. Eine respiratorische Funktionsstörung konnte daran nicht schuld sein, wie weitere Untersuchungen ergaben. Noch einige Zeit später erlitt die Frau beim Einkaufen eine Synkope. Jetzt fiel beim Abhören eine Abschwächung des zweiten Herztons auf. Eine Echokardiografie ergab eine schwere Aortenstenose. Nach einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation besserten sich die Symptome sofort und die Frau gewann ihre Belastbarkeit zurück.
Das hätte sie schon früher haben können, wenn dem eigentlich typischen Auskultationsbefund gleich am Anfang mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre, meinen Dr. Hurrell und Kollegen. Aber eine Aortenstenose werde häufig übersehen, solange sie noch kein sehr spätes Stadium erreicht hat. Denn die Symptome wie Belastungsdyspnoe und Fatigue sind unspezifisch und entwickeln sich langsam nach einer langen asymptomatischen Phase. Außerdem würden die Patienten ihre körperliche Aktivität an ihre abnehmenden Möglichkeiten anpassen. So werde lange übersehen, dass etwas nicht stimmt.
Ein abgeschwächter zweiter Herzton und ein systolisches Geräusch sind zwar sehr sensitiv für das Erkennen einer Aortenstenose, erläutern die Herzspezialisten. Aber die Spezifität dieser Befunde ist nicht sehr hoch. Eine schwere Aortenstenose hingegen lässt sich hochspezifisch und hochsensitiv mittels transthorakaler Echokardiografie diagnostizieren. Ihr Schweregrad kann festgestellt und die linksventrikuläre Funktion geprüft werden. In einer großen englischen Kohortenstudie hat ein echokardiografisches Screening bei 6,9 % der Bevölkerung bisher unbekannte Valvulopathien entdeckt, bei 1,3 % fiel eine Aortenstenose erstmals auf.
Typischerweise tritt der Herzklappenfehler in höherem Lebensalter auf. Bei über 70-Jährigen liegt die Prävalenz bei 4–9 %. Ursächlich ist meist eine fortschreitende Degeneration der Aortenklappe, an der sich zudem Verkalkungen ausbilden. Die einzige Therapie, die das Problem definitiv beheben kann, ist ein Klappenersatz. In den letzten beiden Dekaden wurden dafür sichere und effektive Transkatheter-Technologien entwickelt, die auch für Patienten mit hohem chirurgischen Risiko in Betracht kommen.
Ohne Intervention ist eine schwere symptomatische Aortenstenose mit einer schlechten Prognose verbunden. Denn die Patienten können schnell eine Herzinsuffizienz entwickeln. Im schlimmsten Fall kommt es zum plötzlichen Herztod.
Deshalb sollte man bei allen Patienten mit Brustschmerzen, Dyspnoe, Palpitationen oder unerklärbarer Verschlechterung der körperlichen Leistungsfähigkeit das Herz abhorchen. Wenn sich dabei ein systolisches Geräusch vernehmen lässt, sollten die Patienten innerhalb von sechs Wochen einem Kardiologen vorgestellt werden. Synkopen, eine Linksherzinsuffizienz oder der komplette Verlust des zweiten Herztons machen die Situation noch dringlicher. In diesem Fall sollte der Kardiologe innerhalb von zwei Wochen konsultiert werden. Verschlechtern sich die Symptome sehr rasch, muss der Patient ins Krankenhaus eingewiesen werden.
Quelle: Hurrell H et al. BMJ 2023; 380: e070511; DOI: 10.1136/bmj-2022-070511