Vakzinierungen Besonderheiten bei Menschen mit Krebs
Um die Effektivität einer Impfung bei immunsupprimierten Personen abzuschätzen, eignen sich Antikörpertiter nur bedingt, stellte Dr. Benjamin Schmidt, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, fest: Letztendlich wisse man dadurch nicht, ob die Vakzinierung protektiv wirkt, so der Experte. Mit einer diagnostischen Impfung wiederum könne man die Immunfunktion von Patient:innen mit Immundefizienz überprüfen. Die Durchführung erfolge in der Regel mit der Tetanus-Vakzine, bestimmt werden die Antikörperspiegel vor Beginn der Impfserie und vier bis acht Wochen nach Abschluss. Steigen diese um das Vierfache nach Boosterung, bedeutet das eine positive Impfantwort. „Das ist natürlich nur ein Surrogatparameter, kann aber zur Einschätzung der Immundefizienz herangezogen werden“, erklärte Dr. Schmidt.
Der Experte berichtete neben allgemeinen Grundlagen zur Vakzinierung (s. Kasten) von drei gesonderten Empfehlungen für Krebserkrankte: Diese umfassen die Impfung gegen Pneumokokken, Herpes zoster und virale Atemwegserkrankungen.
Allgemeine Grundlagen zur Impfung von onkologischen Patient:innen | |
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Lebendimpfungen | Totimpfungen |
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Pneumokokken und Herpes zoster
Gerade in der älteren Bevölkerung lassen Pneumokokken-Infektionen die Mortalität steigen. „Wir impfen bereits alte Patient:innen und immunsupprimierte Personen“, betonte Dr. Schmidt. Bislang wurde die sequenzielle Vakzinierung mit PCV13 und PPSV23 empfohlen, mittlerweile gibt es mit dem Konjugatimpfstoff PCV20 eine neue Option, die breiter abdecke, so der Referent.
Für Herpes zoster gelte:
- systemische Primärinfektion: Grundimmunisierung bei Kindern, Lebendimpfstoff in Kombination mit Masern, Mumps und Röteln; Wiederholungsimpfung sechs Monate nach der Chemotherapie bzw. 24 Monate nach Stammzelltransplantation
- Reaktivierung: Totimpfstoff (RZV) zur Vermeidung von Herpes-zoster-Reaktivierungen; Empfehlung für alle Personen über 60 Jahre bzw. Menschen über 50 Jahre mit Risikofaktoren
Die Effektivität des RZV-Impfstoffs beträgt großen Studien zufolge bei immunsupprimierten Patient:innen 60–80 %.
Sonderfall: Anti-CD20-Antikörpertherapie
Unter der Behandlung mit CD20-Antikörpern kommt es nahezu zu einer vollständigen B-Zell-Depletion für mindestens sechs Monate. Eine humorale Impfantwort ist in dieser Zeit unmöglich. Die STIKO empfiehlt eine Vakzinierung vier bis sechs Wochen vor der Antikörpertherapie. Während der Behandlung sollte nicht geimpft werden, mit Ausnahme der saisonalen Vakzinierung gegen Influenza (und SARS-CoV-2). Weitere Impfungen sollten frühestens sechs Monate nach der Therapie unter Kontrolle der B-Lymphozytenzahl erfolgen.
Virale Atemwegserkrankungen
Spätestens seit der Pandemie sei klar, dass man insbesondere Risikopersonen vor viralen Atemwegserregern schützen müsse, so Dr. Schmidt. Für Influenza und SARS-CoV-2 sind folgende Punkte wichtig:
- Influenza: Jährliche saisonale Impfung mit Totimpfstoff; kann auch unter laufender Chemotherapie Erkrankungen verhindern und die Mortalität senken
- SARS-CoV-2: Basisimmunisierung bis mindestens dreimaligem Antigenkontakt; für Risikopersonen jährliche Impfung im Herbst
Für die Vakzinierung gegen Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) gibt es mittlerweile zwei durch die EMA zugelassene rekombinante Totimpfstoffe, die STIKO-Empfehlungen stehen allerdings noch aus. Die Fachgesellschaften DGHO und DGP raten in Positionspapieren aber bereits zur Immunizierung von erwachsenen Risikopersonen. Bisher sei ein Kostenübernahmeantrag erforderlich, wobei manche Krankenkassen die Vakzinierung bereits in ihren Leistungskatalog aufgenommen haben. „Nichtsdestotrotz ist das aktuell noch ein organisatorischer Aufwand“, schloss Dr. Schmidt. „Aber letztendlich lohnt es sich, bei Patient:innen, die besonders betroffen sind, diese Impfung durchzuführen.“
Quelle:
Schmidt BC; 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin; Vortrag: „Impfempfehlungen bei immunsupprimierten Patienten"