Resektables Pleuramesotheliom Bringt eine Pleurektomie mehr Schaden als Nutzen?

ELCC 2024 Autor: Lara Sommer

Gemäß Prof. Tsao kann ein operatives Debulking die Kompression der Lunge verringern und so die Atmung verbessern. Gemäß Prof. Tsao kann ein operatives Debulking die Kompression der Lunge verringern und so die Atmung verbessern. © pikovit - stock.adobe.com

Gemäß Ergebnissen der MARS-2-Studie erhöht eine erweiterte Pleurektomie die Sterblichkeit bei resektablen Mesotheliomen. Zwei Fachleute diskutierten unter anderem, inwiefern man die Erkenntnisse auf alle Erkrankten übertragen sollte.

Die MARS-2-Ergebnisse beweisen endgültig, dass eine erweiterte Pleurektomie Patient:innen mit malignen Mesotheliomen unnötig schadet, argumentierte Prof. Dr. ­Eric ­Lim vom Royal Brompton Hospital in London.1 In dieser Studie erhielten fitte Personen mit auf eine Seite beschränkten, resektablen Mesotheliomen eine operative Pleura-Dekortikation plus bis zu sechs Zyklen Platin-Pemetrexed, zwei davon neoadjuvant. Die Kontrollgruppe bekam ausschließlich die Chemotherapie. 

In der zur Operation randomisierten Subgruppe fiel das 24-Monats-OS signifikant geringer aus als bei alleiniger Chemotherapie (p = 0,019), was einem Unterschied von etwa zwei Monaten entsprach. Das Risiko zu sterben, lag in den ersten 42 Monaten 28 % höher (HR 1,28; p = 0,03). Der Referent ergänzte: „Die ideale Kohorte, T1–2, N0, M0, auschließlich epitheloide Tumoren, hatte ebenfalls schlechtere Überlebensaussichten mit der Operation.“

Gleichzeitig traten nach invasiver Behandlung 3,6-mal so häufig hochgradige Komplikationen auf (p < 0,001). Behandelte berichteten zumindest vorübergehend eine schlechtere Lebensqualität, die später zu Vergleichswerten zurückkehrte. „Das berücksichtigt aber nicht Patient:innen, die gestorben sind“, kommentierte der Chirurg.

Demgegenübergestellt beträfen alle Fortschritte in der Mesotheliom-Behandlung systemische Therapien. An den Zulassungsstudien hätten jedoch nur Personen teilgenommen, deren Malignome gemäß den Leitlinien als unresektabel gelten. Damit beschränke sich vielfach auch die Zulassung auf diese Population.

Zusammenfassend handele es sich bei allen RCT-bestätigten Interventionen, die das Überleben verlängern, um systemische Behandlungen. Eine zytoreduktive Operation führe andererseits zu: 

  • höherem Mortalitätsrisiko
  • mehr ernsthaften Komplikationen
  • schlechterer Lebensqualität
  • höheren Kosten

„Solange wir am Konzept der Resektabilität festhalten, fügen wir Patient:innen Schaden zu. Die Operationen zu reduzieren, verbessert sofort die Überlebenschancen und den Zugang zu wirksamen Behandlungen“, schlussfolgerte Prof. ­Lim.

Prof. Dr. ­Anne S. ­Tsao, MD Anderson Cancer Center, Houston, benannte wiederum verschiedene Kritikpunkte an der MARS-2-Studie.2 „Es ist nicht üblich, Erkenntnisse von einer Insel einfach auf den Rest der Welt zu übertragen“, merkte die Expertin an. Die Voraussetzungen in den jeweiligen Gesundheitssystemen und die Behandlungskultur unterschieden sich zwischen einzelnen Ländern deutlich. So hätten moderne Bestrahlungstechniken wie IMPRINT*, die zur lokalen Kontrolle beitragen können, in der Studie keine Rolle gespielt. 

Weitere Argumente betrafen die Patient:innenselektion. 12 % der Teilnehmenden im OP-Arm litten an nicht-epitheloiden Tumoren, die schlechter auf Chemotherapien ansprechen. Bei diesen Histologien empfehlen die Verfasser:innen zahlreicher Leitlinien keine chirurgische Resektion. Darüber hinaus durften auch Erkrankte operiert werden, die unter Platin-Pemetrexed einen Progress entwickelt hatten. 

Die Verantwortlichen von ­MARS 2 verwendeten zur Stadieneinteilung nur eine CT des Brustraums, nicht jedoch umfangreichere Untersuchungen. Diese führen jedoch im Stadium I–II in bis zu ­70–80 % der Fälle zu einem Up­staging. „Die Daten wären sehr viel robuster, wenn wir die pathologische Stadieneinteilung kennen würden und wüssten, wer vor der Operation downgestagt wurde“, bilanzierte die Onkologin.

Systemische Therapien

Insgesamt erhielten 92,8 % der Personen im Kontrollarm, aber nur 59,8 % der Operierten mindestens drei Zyklen Platin-Pemetrexed. 38,6 % vs. 21,9 % bekamen später Immuntherapien, von denen besonders Erkrankte mit nicht-epitheloiden Mesotheliomen profitieren. Während dies aus Sicht von Prof. ­Tsao eine Quelle für Verzerrungen darstellt, hielt Prof. ­Lim es für einen Teil des Outcomes, dass sich weniger Patient:innen nach der OP als fit genug erwiesen.

Als letzten Punkt kritisierte die Kollegin die chirurgischen Ziele: „In MARS 2 gab es nur eine Rate makroskopischer Komplettresektionen von 84 %.“ Wenn sichtbare Tumormasse verbleibe, korreliere das wiederum mit schlechten Überlebensaussichten.

In den Augen von Prof. ­Tsao belegen die Daten durchaus, dass bestimmte Patient:innen keine erweiterte Pleurektomie erhalten sollten. Dazu zählt sie Personen mit nicht-epitheloiden Malignomen, positiven Lymphknoten, hoher Krankheitslast und/oder Komorbiditäten. Die Referentin warnte jedoch aus den genannten Gründen davor, die MARS-2-Ergebnisse unselektiv auf alle Betroffenen zu übertragen: „Für sorgfältig ausgewählte Patient:innen sollte eine Operation definitiv eine Option bleiben.“ Einen Stellenwert der Pleurektomie sieht sie vor allem im Debulking als Teil multimodaler Strategien

*Hemi-thoracic intensity-modulated pleural radiation therapy

Quellen: 

1.    Lim E. European Lung Cancer Congress 2024; Vortrag „Which is most impactful in mesothelioma? Systemic therapy“

2.    Tsao AS. European Lung Cancer Congress 2024; Vortrag „Which is most impactful in mesothelioma? Radical/cytoreductive surgery“