Patientenfragen Chatbot schlägt Ärzte

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Kliniker müssen lernen, diese neuen Tools in ihren Praxisalltag zu integrieren, kommentiert Dr. Teva Brender von der University of California, San Francisco. Natürlich gebe es dabei Risiken. (Agenturfoto) Kliniker müssen lernen, diese neuen Tools in ihren Praxisalltag zu integrieren, kommentiert Dr. Teva Brender von der University of California, San Francisco. Natürlich gebe es dabei Risiken. (Agenturfoto) © Ismail/peopleimages.com – stock.adobe.com

Ärzte verbringen viel zu viel Zeit mit Bürokratie und müssten dringend entlastet werden. Können beim Beantworten von Patientenanfragen sogenannte Chatbots die gestressten Medizinern unterstützen?

Lockdowns und Kontaktbeschränkungen zu Beginn der COVID-19-Pandemie haben auch in der Gesundheitsfürsorge die Nutzung virtueller Lösungen vorangetrieben. Dies hatte u.a. zur Folge, dass die Anzahl von E-Mails und anderen elektronischen Nachrichten, die Patienten an Ärzte richten, merklich angestiegen ist. Doch mit jeder Nachricht erhöht sich der Arbeitsaufwand pro Patientenakte um schätzungsweise 2,3 Minuten, rechnen Prof. Dr. John Ayers von der University of California in San Diego und seine Kollegen vor. Lange Arbeitszeiten und zusätzliche Verpflichtungen nach Feierabend sind an der Ärzteschaft nicht spurlos vorbeigegangen. So berichteten 62 % der US-amerikanischen Kliniker von mindestens einem Burn-out-Symptom in den ersten beiden Pandemiejahren.

Prof. Ayers und sein Team haben deshalb untersucht, inwiefern der Chatbot-Assistent ChatGPT bei der Beantwortung von Patientenfragen helfen könnte. Hierfür verwendeten sie 195 zufällig ausgewählte Fragen aus einem öffentlichen Internetforum zu Gesundheitsthemen (AskDocs), die im Oktober 2022 von verifizierten Ärzten beantwortet worden waren. Diese Fragen gaben sie am 22. und 23. Dezember 2022 an den Chatbot weiter. Eine Gruppe medizinischer Fachkräfte bewertete sowohl die Antworten der Ärzte als auch die des Chatbots hinsichtlich ihrer Qualität und Empathie auf einer Skala von 1–5. Für das Endergebnis wurden jeweils drei unabhängige Bewertungen gemittelt.

Die Nase vorn hatte ganz klar die Künstliche Intelligenz (KI): In 78,6 % der Fälle zogen die Bewerter die Chatbotantworten denen der Ärzte vor. Letztere waren im Durchschnitt signifikant kürzer als die der KI (52 Wörter vs. 211 Wörter). Insgesamt wurde die Qualität der maschinell erstellten Antworten signifikant als besser bewertet. So war z.B. die Prävalenz von Aussagen mit guter bzw. sehr guter Qualität beim Chatbot 3,6-mal höher als bei den Ärzten.

Darüber hinaus wurden die Antworten der KI als signifikant empathischer empfunden als die Auskünfte der Ärzte. Der Anteil, der als einfühlsam oder sehr einfühlsam bewertet wurde, betrug bei den Ärzten im Durchschnitt 45,1 % versus 4,6 %. Dies entspricht einer 9,8-mal höheren Prävalenz von einfühlsamen oder sehr einfühlsamen Antworten durch ChatGPT.
Aufgrund dieser Ergebnisse kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass sich eine weitere Erforschung der Technologie im klinischen Umfeld lohnt. Sie sprechen sich dafür aus, mit Hilfe von Chatbots künftig z.B. Antworten auf Patientenfragen zu generieren, die Ärzten als Vorlage dienen und im Nachgang von ihnen kontrolliert und bearbeitet werden können.
Wieder mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt

Kliniker müssen lernen, diese neuen Tools in ihren Praxisalltag zu integrieren, kommentiert Dr. Teva Brender von der University of California, San Francisco. Natürlich gebe es dabei Risiken. Der Internist ist aber trotzdem „vorsichtig optimistisch“, dass KI das Gesundheitssystem verbessert, Burn-out bei Ärzten verringert und Medizinern v.a. die Möglichkeit gibt, wieder mehr Zeit am Patientenbett als am Computer zu verbringen.

Quellen:
1. Ayers JW et al. JAMA Intern Med 2023; 183: 589-596; DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.1838
2. Brender TD. JAMA Intern Med 2023; 183: 507-508; DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.1832