Neue Therapieansätze COPD als Stoffwechselkrankheit 

ERS 2023 Autor: Manuela Arand

Ein Schlüssel zum Verständnis der pathologischen Prozesse bei COPD liegt anscheinend auf zellulärer Ebene, genauer: im Metabolom. Ein Schlüssel zum Verständnis der pathologischen Prozesse bei COPD liegt anscheinend auf zellulärer Ebene, genauer: im Metabolom. © BillionPhotos.com - stock.adobe.com

Ein Schlüssel zum Verständnis der pathologischen Prozesse bei COPD liegt anscheinend auf zellulärer Ebene, genauer: im Metabolom. Das könnte neue Türen zu einer effektiveren Therapie öffnen.

Niedermolekulare Endprodukte (< 1.500 Dalton) des Zellstoffwechsels bilden das Meta­bolom, erklärte Prof. Dr. ­Suzanne ­Cloonan, Trinity College Dublin. Dazu zählen so unterschiedliche Metabolite wie Glukose, Aminosäuren und kurzkettige Fettsäuren, aber auch Metalle, Gallensäuren und Oxysterole. Identifiziert sind bisher rund 220.000 Metabolite, tatsächlich dürften es weit über eine Million sein. Genetische Ausstattung, Lebensstil, Umwelt, Diät und Mikro­biom beeinflussen, wie das individuelle Metabolom aussieht. 

In den letzten Jahren hat sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass metabolische Prozesse Immunfunktionen kontrollieren. Die beteiligten Zellen nutzen unterschiedliche Wege der Energiegewinnung und brauchen deshalb andere Nährstoffe. Hochaktive Zellen wie Effektor-T-Zellen verschaffen sich rasch Energie durch Glykolyse, während z.B. regulatorische T-Zellen oder Gedächtniszellen auf langsamere Mechanismen wie die Fettsäureoxidation bauen. Je nachdem, welche Botenstoffe und Metabolite in der Umgebung der Immunzellen vorliegen, kommt es zur Reprogrammierung. Der Hebel kann Richtung Inflammation oder Immunüberwachung und -suppression umgelegt werden. „Aber zugegeben: Wir wissen aktuell noch recht wenig über den Immunometabolismus“, so Prof. Cloonan. 

Die gesunde Lunge verfügt über ein einzigartiges metabolisches „Mikro­environment“, das von Etage zu Etage wechselt und mit Unterschieden in Stoffwechsel und Mikrobiom einhergeht. So dient der Glykolyse in der Nasenschleimhaut Glukose als Substrat, während in den Atemwegen Fruktose sowie Glukose-6-Phosphat genutzt werden und in den Alveolen Galaktose. Umgekehrt kommen Fettsäuren in den Alveolen massenhaft vor, in der Nase gar nicht. Entsprechend wechseln mikrobielles Milieu und zelluläre Ausstattung der Atemwegswände.

Bei pathologischen Prozessen ändert sich das Bild, berichtete Prof. Cloonan. Ohne im Detail zu verstehen, was sich da abspielt, fand eine Arbeitsgruppe anhand der COPD-Kohorte SPIROMICS heraus, dass Metabolom und Mikrobiom in der bronchoalveolären Lavage sich ändern, wenn Patienten Lungenfunktion abbauen oder exazerbieren. Pa­rallel zur Abnahme der FEV1 sinkt z.B. der Lipidgehalt des Surfactants. Andere Untersuchungen ergaben, dass die Alveolarmakrophagen von COPD-Kranken schwächeln, insbesondere bei der Energiegewinnung per Oxidation und Glykolyse in den Mitochondrien. Ähnliche Defizite ließen sich auch bei Makrophagen aus dem peripheren Blut nachweisen – „ein weiterer Hinweis, dass COPD eine systemische Erkrankung ist und sich nicht auf die Lunge beschränkt“, meinte die Expertin für respiratorische Biochemie.

Aus diesen in vitro und in Tierversuchen gewonnenen Erkenntnissen lassen sich tatsächlich erste therapeutische Ansätze ableiten. Die Aktivierung des NRF2**-Signalwegs durch oxidativen Stress programmiert Alveolarmakrophagen bei COPD um, d.h. die Transkription antiinflammatorischer Gene wird gefördert, sodass die Zellen ihre Schutzaufgaben effektiver erledigen. An diesem Signalweg anzusetzen, gilt als aussichtsreich bei vielen Leiden mit inflammatorischer Pathogenese auf mitochondrialer Ebene, u.a. bei neurodegenerativen und Autoimmunerkrankungen.

Andere Versuche zielen darauf ab, die insuffiziente Fettsynthese in den Alveolen zu verbessern oder das Mikrobiom zu verändern, sodass protektive Bakterien die Oberhand gewinnen. Ein vielversprechender Ansatz scheint Itaconsäure zu sein, ein Metabolit des Mitochondrienstoffwechsels, dem signifikante immunmodulatorische Fähigkeiten zugeschrieben werden. Itaconsäure wird aktuell in Tiermodellen bei verschiedensten Krankheitsbildern erprobt, von Sepsis bis Gicht, aber auch bei COPD und Lungenfibrose. Prof. Cloonans Arbeitsgruppe konzentriert sich auf den Eisenstoffwechsel der Makrophagen, nachdem eine Eisenüberladung in den Alveolen von COPD-Patienten nachgewiesen werden konnte. Erste Versuche mit Zellen von Rauchern und COPD-Kranken ergaben, dass ein Chelator helfen könnte, die gestörte Response auf bakterielle Pathogene wiederherzustellen.

Quelle: ERS* International Congress 202

*    European Respiratory Society
**    Nuclear Factor Erythroid 2-Related Factor