Pflege von Demenzkranken Das eigene Verhalten stets kritisch hinterfragen
Zunehmende Defizite der kognitiven und emotionalen Fähigkeiten, ein verändertes Sozial- und Kommunikationsverhalten sowie Inkontinenz und Schluckstörungen als Beispiele körperlicher Ausfälle machen das komplexe Krankheitsbild der schweren Alzheimerdemenz aus. Für die Versorgung braucht es spezielle Konzepte, die den Erkrankten, aber auch den Betreuenden Sicherheit geben. Allerdings hinkt man in der Forschung an diesem Punkt hinterher, wie Frank Aßmus und Richard Dodel vom Geriatrie-Zentrum Haus Berge in Essen schreiben.
Ihren Empfehlungen nach komme es im Umgang mit hochgradig dementen Patienten ganz besonders darauf an, ihnen ein Maximum an Lebensqualität zu bieten und ihre Würde zu bewahren. Leitgedanke der Versorgung sollte das Bewusstsein dafür sein, dass das emotionale Erleben bis zum Tod erhalten bleibt. Durch aufmerksames Beobachten lassen sich Gefühlslagen erkennen wie beispielsweise:
- Aufmerksamkeit und Interesse
- Freude
- Trauer
- Ärger
- Ängstlichkeit und Angst
Für die Kommunikation mit den Erkrankten sei es unerlässlich, sich auf ihre Gefühlswelt und Lebenswirklichkeit einzulassen. Dies setze ein hohes Maß an Empathie voraus. Versuche, die Patienten an „normalen“ Maßstäben zu messen, seien kontraproduktiv. Kritik, die sie aufgrund ihrer kognitiven Beeinträchtigung nicht mehr nachvollziehen können, provoziert Unwohlsein und Verunsicherung.
Betreuende beeinflussen das Verhalten des Patienten stark
Man dürfe nicht vergessen, dass es Patienten spüren, wenn ihre Welt infrage gestellt wird. Häufig reagieren sie dann mit Widerstand, der sich zum Beispiel in Verweigerung, Aggressivität und Weglaufen äußert. Ein solches herausforderndes Verhalten ist für die Betreuenden ein großes Problem, so die Autoren. Durch das eigene Verhalten trage man viel dazu bei, Unruhe und Aggressivität zu schüren oder aber zu entschärfen. Dies sollte man sich immer wieder klarmachen und dabei stets das eigene Verhalten kritisch hinterfragen.
Ebenso komme es im Umgang mit schwer Dementen darauf an, diese nicht zu überfordern. Ungewohnte und komplexe Situationen können Verwirrung, Angst und Aggression auslösen. Beruhigend und stabilisierend wirken dagegen eine vertraute Umgebung, Rituale sowie Situationen mit nur einem Gegenüber.
Da sich die Betroffenen kaum noch rational mit etwas auseinandersetzen können, kommunizieren sie ausschließlich emotional, betonen die Geriater. Körpersprache, Mimik, Körperkontakt, Distanz – diese in unserer Kultur gemeinhin unterschätzen Aspekte der Kommunikation treten im Umgang mit schwer dementen Patienten in den Vordergrund. Auf der verbalen Ebene habe sich das sogenannte Spiegeln bewährt. Dies vermittle das Gefühl, verstanden zu werden. Spiegeln bedeutet, offen auszusprechen, welche Gefühlslage man beim Gesprächspartner wahrnimmt. Etwa: „Sie wirken verärgert“ oder: „Sie schauen so traurig“. Solche einfachen Aussagen kommen eher bei den Patienten an als Fragen nach ihrem Befinden. Versuche, negative Gefühle „auszureden“, funktioniere in aller Regel nicht.
Rumlaufen auf der Suche nach Geborgenheit
Quelle: Aßmus F, Dodel R. internistische praxis 2021; 64: 103-113