Spitz-Tumor Ein Möchtegern-Melanom
Schizophrene Eigenschaften attestierte Prof. Dr. Aimilios Lallas, Aristoteles-Universität in Thessaloniki, den Spitz-Tumoren. In seiner Keynote Lecture illustrierte er eindrücklich die „multiplen Persönlichkeiten“ der Nävi. Das atypische Verhalten dieser Läsionen begleite die Wissenschaft schon seit rund 75 Jahren, seit Sophie Spitz sie das erste Mal beschrieben hat. 1948 bemerkte sie, dass sich histologisch als bösartig diagnostizierte Melanome bei Kindern nur selten auch wie maligne Tumoren verhielten. Zwar wisse man inzwischen, dass es sich um Subtypen von Nävi handele, aber durch die Dermatoskopie würden auch mehr von ihnen entdeckt – und damit gebe es auch mehr Verdachtsfälle, erklärte Prof. Lallas.
Problematisch: Spitz-Nävi sind extrem unterschiedlich und veränderungsfreudig. Als typisch beschrieb der Dermatologe drei Erscheinungsformen:
- sternförmig ausstrahlende, dunkel gefärbte Läsionen,
- netzförmig braun pigmentierte Flecken sowie
- nicht gefärbte Spots mit zahlreichen punktförmigen Gefäßen.
Allen gemeinsam sei ihre Symmetrie. „Das ist wichtig“, betonte der Arzt. Allerdings können Spitz-Nävi von dieser Regel auch deutlich abweichen. Prof. Lallas demonstrierte dies anhand zahlreicher Beispiele kindlicher Leberflecke, die er dermatoskopisch und klinisch als Alptraum bezeichnete, die sich nach Exzision jedoch als banale Spitz-Nävi entpuppten. Eine korrekte Zuordnung im Vorhinein hielt der Fachmann für unmöglich: „Es gibt keinen anderen Weg bei solchen Läsionen als das sofortige Entfernen.“ Dafür überlappten die Merkmale zu sehr mit denen von Melanomen.
Vorsicht geboten
Auch, wenn man meint, einen ungefährlichen Spitz-Nävus vor sich zu haben, sollte man vorsichtig sein. Während maligne aussehende Veränderungen bei Kindern oft harmlos sind, können sich hinter benigne erscheinenden Flecken auf der Haut von Erwachsenen durchaus Melanome verbergen. Prof. Lallas bezifferte den Anteil auf etwa 13 % in der Gruppe der Patient:innen über 12 Jahre. Mit dem Alter steige der Wert deutlich. Er empfahl daher, alle spitzoid anmutenden Läsionen nach der Pubertät zu entfernen – auch die symmetrischen.
Atypische Spitz-Tumoren
Als weitere Besonderheit wies Prof. Lallas auf die intermediären Formen hin, die weder als eindeutig benigne noch maligne eingeordnet werden können. Histopatholog:innen bezeichnen diese dann als atypische Spitz-Tumoren (AST), Melanozytome, STUMP oder MELTUMP. Je nach Entartungsrisiko entferne man diese mit 2 mm bzw. bis zu 10 mm breiten Resektionsrändern, beschrieb der Experte. Wichtig: Eine Biopsie der Sentinellymphknoten (SLNB) zur Klärung, ob der Tumor gestreut haben könnte, hielt Prof. Lallas für nicht gerechtfertigt. 99 % der Patient:innen mit atypischen Spitz-Tumoren würden überleben, und zwar unabhängig vom Befund der SLNB. Und: Man finde beim AST sogar dreimal häufiger positive Lymphknoten als im Falle eines Melanoms. „40 % der Kinder mit AST unterzögen sich in der Folge völlig umsonst einer kompletten Lymphknotendissektion.“
Dennoch plädierte er aufgrund der verbleibenden, wenn auch geringen Gefahr für ein malignes Geschehen dafür, bei Kindern zumindest noduläre spitzoide Läsionen zu entfernen. Sind Hautveränderungen flach, symmetrisch und sternförmig, kann man seiner Erfahrung nach bei Patient:innen unter 12 Jahren entspannter sein und den Verlauf beobachten. Er warnte jedoch, dass solche Male oft schneller als erwartet wüchsen und plötzlich asymmetrisch werden könnten. In einer Studie seiner Arbeitsgruppe traf dies auf gut ein Fünftel der Läsionen zu. Diese stellten sich aber alle als harmlose Spitz-Nävi heraus.
Theoretisch könne man flache Läsionen bei Kindern also ignorieren, selbst wenn sie sich veränderten, sagte der Experte. Das würde dann allerdings die Eltern stressen und Panik auslösen, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Ein weiterer Beitrag zur Schizophrenie von Spitz-Tumoren.
Quelle:
Lallas A. 20th EADO Congress; Vortrag Keynote Lecture 2: „Spitzoid Tumors“