COPD-Exazerbation Die Definition ist so schwammig wie die Schweregradeinteilung

Autor: Manuela Arand

Die aktuelle GOLD-Definition der akuten COPD-Exazerbation liefert keine griffigen Antworten zu zentralen Fragen der Diagnostik und Behandlung. Die aktuelle GOLD-Definition der akuten COPD-Exazerbation liefert keine griffigen Antworten zu zentralen Fragen der Diagnostik und Behandlung. © iStock/IvelinRadkov

Akute Exazerbationen üben entscheidenden Einfluss auf die Therapieplanung bei COPD aus. Umso schlimmer, dass es keine sinnvolle Definition für sie gibt, geschweige denn eine adäquate Phänotypisierung.

Die aktuelle GOLD*-Definition der akuten COPD-Exazerbation besagt, es handle sich um eine akute Verschlechterung der respiratorischen Symptome, die eine zusätzliche Therapie zur Folge hat. Alle Schlüsselbegriffe darin sind schwammig, monierte Professor Dr. Àlvar Agusti vom Universitätsklinikum Barcelona. „Akut“ kann alles zwischen Minuten bis Wochen bedeuten. Und verständigt man sich beispielsweise darauf, dass damit Tage gemeint sein sollen – wie viele dürfen es denn sein? Das wird sich nur im Konsens der Pneumologen festlegen lassen, denn eine evidenzgestützte Antwort ist nicht zu erwarten. 

Ähnlich verhält es sich mit „Symptomen“ und „Therapie“. Beide Begriffe sind so weit gefasst, dass sich die einzelnen Aspekte kaum aufzählen lassen. „Wir können uns sicher darauf einigen, dass Atemnot ein wichtiges Symptom ist, aber wie steht es mit Husten, Sputum, Fieber, Schmerzen? Und was gehört sonst noch dazu?“, fragte Prof. Agusti. Er erinnerte daran, dass eine Exazerbation „typischer“ COPD-Symptome keineswegs automatisch auf einer verstärkten pulmonalen Entzündungsreaktion basiert. Andere Lungenerkrankungen von Pneumonie über Bronchiektasen bis hin zum Pneumothorax können dahinterstecken, aber natürlich auch extrapulmonale Krisen bei Hypertonie, Herzinsuffizienz oder – oft vergessen und unterschätzt – psychiatrischen Komorbiditäten wie Angst und Depression. 

Symptome sind kein präziser Marker

Für geradezu absurd hält es der Kollege, Diagnose der Ex­azerbation und Klassifikation des Schweregrads post hoc daran festzumachen, welche Therapieentscheidung der Arzt getroffen hat. Erst sollte die akute Exazerbation der COPD (AECOPD) diagnostiziert und der Schweregrad festgelegt sein, bevor die Behandlung geplant wird – nicht umgekehrt. 

Wo also klemmt es? „Wir müssen über die Symptome hinausblicken“, forderte Prof. Agusti. Sie seien kein präziser Marker. Patienten würden sie höchst unterschiedlich wahrnehmen, wie das Beispiel Atemnot zeige. In einer Studie haben italienische Wissenschaftler die Atemnotwahrnehmung von Gesunden und COPD-Patienten verglichen. Unter Ruhebedingungen zeigte sich erwartungsgemäß eine Zunahme von Dyspnoe von Gesunden über Selten- bis hin zu Häufig-Exazerbierern. Ließ man die Teilnehmer Kohlendioxid rückatmen, kam es bei den Häufig-Exazerbierern zu einem massiven Anstieg des Borg-Scores, während Selten-Exazerbierer sogar noch weniger reagierten als Gesunde. Womöglich exazerbieren „Häufig-Exazerbierer“ gar nicht häufiger, sondern nehmen Dyspnoe nur stärker wahr als andere COPD-Patienten. Dies könnte das gesamte Exazerbationskonzept infrage stellen, gab Prof. Agusti zu bedenken. 

Biomarker könnten helfen, eine AECOPD zu identifizieren. Drei haben sich als zuverlässig herausgestellt:

  • Dyspnoe (visuelle Analogskala, Cut-off ≥ 5 von 10 Punkten), 
  • Neutrophilenanteil im Blut (Cut-off 70 %) und 
  • CRP (Cut-off 3 mg/l). 

Gemeinsam liefern sie eine hohe diagnostische Treffsicherheit von deutlich über 95 %.

AECOPD-Phänotypen ändern sich im Verlauf kaum

Allein die akute Exazerbation zu erkennen, reicht jedoch nicht, konstatierte Professor Dr. Jadwiga Wedzicha, National Heart and Lung Institute, London. Zu klären ist ferner, um welche Art es sich handelt. Die grundlegende Arbeit dazu ist schon zehn Jahre alt. Sie unterschied vier Formen, die sich auch am Muster der Biomarker IL-1β im Sputum, CXCL-10 und Eosinophilenanteil im Blut ausein­anderhalten ließen: bakterielle, virale und eosinophil dominierte AECOPD sowie eine Variante ohne ausgeprägte Entzündungsreaktion, pauciinflammatorisch getauft. 

Dass 35 % der AECOPD bakteriell ge­triggert sind, wie in dieser Arbeit festgestellt, hält Prof. Wedzicha für zu hoch gegriffen. Nach ihrer Erfahrung stellen Virusinfekte bei Weitem die häufigsten Auslöser dar. Die Diskriminierung ist jedenfalls wichtig, zieht sie doch therapeutische Konsequenzen nach sich – auch für die Planung der Dauertherapie, zumal sich die Phänotypen der AECOPD im Verlauf anscheinend kaum ändern. Wer einmal eine bakterielle oder eosinophile AECOPD hatte, wird beim nächsten Mal wahrscheinlich wieder eine bekommen. Für virale AECOPD gilt das jedoch nicht. „Virale AECOPD hängen eben stark davon ab, was sich gerade in der Umwelt tummelt.“

Bleibt noch der Schweregrad der AECOPD, der bislang ebenfalls post hoc determiniert wird. GOLD nutzt dazu wieder die Therapieentscheidung des Behandlers: stationäre Einweisung? Schwere AECOPD! Antibiotika oder systemische Steroide? Moderate AECOPD! Reine Symptombehandlung mit kurz wirksamen Bronchodilatatoren? Leichte AECOPD! 

Professor Dr. Gavin Donaldson, Imperial College London, findet das Ganze fragwürdig, zumal die Selbstbehandlung mit NSAR, Echinacea bzw. „Erkältungsmedizin“ außen vor bleibt. Außerdem: Ob ein Patient mit leichter AECOPD medizinische Hilfe sucht, hängt von vielen Faktoren ab, u.a. von der Dis­tanz zwischen Wohnort und Praxis oder vom Wochentag. Das impliziert  aber nicht, dass seine Beschwerden unbedeutend sind. Auch sie reduzieren Lebensqualität und sprechen auf Medikamente an. „Wir sollten zusehen, dass wir sie behandeln“, so Prof. Donaldson.

* Global Initiative on Chronic Obstructive Lung Disease, www.goldcopd.org

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