Häusliche Pflege Die Praxis als Anlaufstelle für Angehörige
Hausärzte begleiten ihre Patienten oft über viele Jahre und kennen deren privates Umfeld – sehr gute Voraussetzungen also, um bei diesen auch häusliche Pflegesettings zu begleiten und pflegende Angehörige über Entlastungs- und Hilfsangebote zu beraten. Wie sehr Hausärzte bereits in die Unterstützung pflegender Angehöriger eingebunden sind, welche Schwerpunkte sie dabei setzen und welche Herausforderungen ihnen begegnen, untersuchten Dr. Julian Wangler und Prof. Dr. Michael Jansky vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz. An der Online-Befragung nahmen insgesamt 3.556 Hausärzte aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz teil.
68 % der Befragten gaben an, (zunehmend) häufig mit pflegenden Angehörigen zu tun zu haben; 77 % sind davon überzeugt, dass die Hausarztpraxis als primäre Anlaufstelle für Pflegende und die Pflegekoordination gut geeignet ist. Sehr häufig kommen Betreuungssituationen dadurch zustande, dass pflegende Angehörige auf den Hausarzt zugehen – allerdings meist nicht in der Anfangsphase, sondern erst, wenn sich die Pflegesituation verschlechtert oder der Pflegebedarf sich ändert.
Mit welchen Erwartungen geschieht das? Die Befragten sehen ein ganzes Bündel an Bedürfnissen aufseiten der Pflegenden (emotionale Unterstützung, Rat und Tat bei Schwierigkeiten, Wahrnehmung der Belastungen und Bedarfe des Gepflegten und des Pflegenden etc.).
Land- und Stadtärzte setzen andere Prioritäten
Die Ärzte selbst setzen jedoch mit Blick auf ihre eigene Rolle unterschiedliche Akzente: Landärzte gewichten eine proaktive und psychosoziale Betreuung stärker, während Hausärzte in städtischen Regionen eher auf das dort stärker vorhandene Facharzt- und Hilfsnetzwerk bauen und sich als Delegierer sehen. Ärzte mit geriatrischer Weiterbildung weisen pflegende Angehörige öfter auf Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten hin.
Bei der Unterstützung pflegender Angehöriger gibt es immer wieder Engpässe und Herausforderungen. So wissen manche Hausärzte in vielen Fällen gar nicht, wer von ihren Patienten die Pflege eines Angehörigen übernommen hat. Dann kann es hilfreich sein, das Praxisteam einzubinden – MFA bekommen in informellen Gesprächen mit den Patienten so manche Information mit, die beim Arzt nicht thematisiert wird. Schwierig kann es auch sein, zeitnah ein Entlastungsangebot aufzutreiben, um einen Versorgungsengpass zu verhindern, oder geeignete Hilfsangebote zu vermitteln.
Hausärzte sind in der Lage, häusliche Pflegesettings längerfristig zu stabilisieren und ein Ausbrennen der Pflegenden zu verhindern, fassen die Autoren anschließend zusammen. Entscheidend sei eine gute Kooperation zwischen Hausarzt und Hilfsnetzwerken wie etwa Pflegestützpunkten, ambulanten psychiatrischen Diensten und Demenz-Netzwerken.
Quelle: Wangler J, Wansky M. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: e1-e12; DOI: 10.1055/a-1671-8621