Post-ICU-Syndrom Die Zeit nach der Intensivstation

Autor: Nils Bröckelmann

Ärzt:innen fordern PICS-Ambulanzen, um Folgen einer Intensivtherapie adäquat zu behandeln. Ärzt:innen fordern PICS-Ambulanzen, um Folgen einer Intensivtherapie adäquat zu behandeln. © sudok1 – stock.adobe.com

Das Post-Intensive-Care-Syndrom beschreibt die teils gravierenden Folgen von Intensivaufenthalten. Körperliche und psychosoziale Probleme belasten die Patienten stark und machen weit über die Akutphase hinaus Behandlungen erforderlich.

Die vielfältigen Folgen einer Intensivtherapie stehen heute mehr als in der Vergangenheit im Fokus. Das Durchschnittsalter auf der Intensivstation liegt heute mit rund 70 Jahren höher als früher. Dadurch sind die Patienten anfälliger für Komplikationen und können sich schlechter von Schäden erholen.

„Das PICS ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel“

Die Gesamtheit der körperlichen, psychischen, kognitiven und sozialen Beeinträchtigungen fasst man unter dem Begriff Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS) zusammen. „Das PICS ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel“, halten Prof. Dr. Wilfred Druml von der Universitätsklinik Wien und Kollegen fest. Von Überlebenden einer Sepsis etwa sind zwischen einem Drittel und mehr als 90 % davon betroffen.

Praktisch jedes Organsystem kann in ein PICS involviert sein. Eine prominente Rolle spielt die Beteiligung des neuromuskulären Systems. Die sogenannte Critical-Illness-Polyneuropathie bzw. -Myopathie äußert sich oftmals in generalisierter Muskelschwäche. Bereits auf der Intensivstation führt sie zu einem verlängerten Weaning, langfristig erschwert sie die Rehabilitation und führt zu höherem Pflegebedarf. Schluckstörungen, etwa nach prolongierter Beatmung, gefährden die Erholung ebenfalls.

Ein breites Spektrum kognitiver Störungen ist möglich, darunter ein beeinträchtigtes Erinnerungsvermögen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme. Das relative Risiko, eine Demenz zu entwickeln, ist gegenüber Gleichaltrigen um 60 % erhöht. Dazu beitragen dürften delirante Syndrome und Sedativa, wobei Letztere gleichzeitig den größten Risikofaktor für ein Delir darstellen.

Internistisch drohen bei PICS Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus und eine arterielle Hypertonie. Die Lunge erhole sich dagegen besser als oft angenommen, so Prof. Druml und Kollegen. Sie erreicht meist innerhalb eines Jahres wieder das vorherige Funktionsniveau.

Der Intensivaufenthalt ist ein einschneidendes Erlebnis, das die Psyche belastet. Mögliche Folgen sind Schlafstörungen, Angsterkrankungen oder eine posttraumatische Belastungsstörung. Auch die Suizidrate von ITS-Überlebenden ist einer Studie zufolge erhöht. Gerade junge Menschen scheinen anfällig für psychosoziale Probleme. Einem Teil der Patienten gelingt es nicht, in den vorherigen Beruf zurückzukehren. Das führt auch zu finanziellen und sozialen Schwierigkeiten.

Zur Prävention des PICS muss man in erster Linie eine Übertherapie vermeiden. Dazu werden u.a. Beatmungszeit und Sedierung auf das geringstmögliche Ausmaß reduziert. Zu selten erfolgen laut den Autoren außerdem Präventionsmaßnahmen wie eine frühe Mobilisation, eine strukturierte kognitive Rehabilitation und eine systematische Schmerztherapie.

Die Kollegen fordern PICS-Ambulanzen, in denen Folgeerscheinungen strukturiert evaluiert, Hilfe vermittelt und Therapien eingeleitet werden. Für das Post-COVID-Syndrom – ein in vielerlei Hinsicht ähnliches Phänomen – gebe es entsprechende Einrichtungen. Diese könne man auch für das Post-Intensive-Care-Syndrom nutzen.

Quelle: Druml W et al. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 223-230; DOI: 10.1055/a-1825-6553