Dreimonatskoliken: Womöglich helfen Fenchel, Laktobazillen und Chiropraktik?
Es ist der reine Stress für alle Beteiligten: Babys, die stundenlang brüllen und sich durch nichts und niemanden beruhigen lassen. Bis zu 20 % aller Säuglinge schreien extrem oft und anhaltend. Normalerweise endet diese Phase nach etwa fünf Monaten.
Warum manche Babys bis zur völligen Erschöpfung plärren, ist bislang unklar. Neben einem unreifen Magen-Darm-Trakt, Nahrungsunverträglichkeiten, Krämpfen und verstärkter Gasbildung werden auch psychosoziale Faktoren wie mütterliche Ängste oder Bindungsprobleme zwischen Mutter und Kind diskutiert. Während dieser Zeit sind viele Eltern nervlich am Limit und suchen nach einer Therapie, die ihnen und ihrem nicht minder gestressten Nachwuchs über diese Zeit hinweg hilft. Dabei fällt die Wahl häufig auf komplementärmedizinische Methoden. Ob Fenchelöl, Probiotika, Akupunktur oder Osteopathie: Die Palette an Behandlungsmöglichkeiten ist groß. Doch was ist bei Dreimonatskoliken tatsächlich empfehlenswert?
16 Übersichtsarbeiten unter die Lupe genommen
Mit dieser Frage haben sich kürzlich britische Wissenschaftler beschäftigt und verschiedene komplementärmedizinische und alternative Therapien genauer unter die Lupe genommen. Das Team um Dr. Rachel Perry von der Universität Bristol wertete 16 neuere Übersichtsarbeiten aus, die die Ergebnisse aus randomisierten Studien mit Kindern im Alter bis zu zwölf Monaten zusammengetragen hatten. Alle Säuglinge hatten die Diagnose Dreimonatskolik bekommen. Sieben Reviews befassten sich mit Probiotika, drei mit chiropraktischen Verfahren, je einer mit Heilkräutern und Akupunktur, und vier hatten den Vergleich verschiedener Therapien aus der Komplementärmedizin zum Inhalt.
Mit Nebenwirkungen ist nicht zu rechnen
Die Wissenschaftler bewerteten die Qualität der Metaanalysen mithilfe von zwei Instrumenten nach methodischer Sorgfalt und auf ihr Biasrisiko hin. Die Analyse ergab, dass keine einzige Übersichtsarbeit ihre Anforderungen gänzlich erfüllte. In etlichen Untersuchungen waren die Patientenzahlen zu klein, die Untersuchungen häufig nicht verblindet. Allzu oft hatten sich die Autoren auf die subjektiven Aussagen von Elterntagebüchern verlassen müssen, oder die Güte der Ergebnisse war durch andere Schwächen infrage gestellt.
Vor allem bei Anwendungen wie Osteopathie, Akupunktur oder Chiropraktik, so geben die britischen Kollegen zu bedenken, ist eine Verblindung aus praktischen Gründen unmöglich. Am ehesten, so fand sich, profitierten die Kinder von chiropraktischen Manipulationen der Wirbelsäule, von Probiotika wie z.B. Lactobacillus reuteri sowie von Fenchelextrakten. Soja, Pfefferminzpräparate und Akupunktur hingegen überzeugten nicht. Aufgrund der oft schlechten Qualität der Studien sei es schwierig, konkrete Empfehlungen auszusprechen, schreiben die Autoren. Zumindest aber scheinen alle genannten komplementärmedizinischen Therapien weitgehend sicher und nebenwirkungsfrei zu sein.
Quelle: Perry R et al. Syst Rev 2019; 8: 271; DOI: 10.1186/s13643-019-1191-5