Betazellfunktion Ein Booster für das Insulinsignal

Autor: Dr. Moyo Grebbin

Ziel ist es, die Betazellen (lila) davor zu bewahren, ihre Funktion zu verlieren und abzusterben. Ziel ist es, die Betazellen (lila) davor zu bewahren, ihre Funktion zu verlieren und abzusterben. © Axel Kock – stock.adobe.com

Unter physiologischen Bedingungen hält der inhibitorische Faktor die Insulinausschüttung in Schach. In diabetischen Mäusen schützt seine Blockade jedoch die Betazellen vor Degeneration und Funktionsverlust.

Versagen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, so liegt das beim Typ-1- ebenso wie beim Typ-2-Diabetes daran, dass die Zellen einem zu hohen Stress ausgesetzt sind. Wie Prof. Dr. ­Heiko ­Lickert vom Helmholtz Zentrum München, DZD, erklärte, ist das im ersten Fall der autoimmune Stress, beim Typ-2-Dia­betes der glukolipotoxische Stress. Als Reaktion darauf verlieren die Zellen die Fähigkeit, Insulin zu messen, und später auch, es zu sezernieren. „Die Betazellen sind aber noch im Organismus vorhanden“, betonte Prof. Lickert. Gelänge es, sie vor dem Funktionsverlust oder dem Absterben zu bewahren, könne man die Krankheit kausal behandeln. Und zwar am besten, indem man sowohl dem Stress-Trigger entgegenwirkt als auch den Zellen Schutz oder Regenerationshilfe bietet.

Um sich vor Stress zu schützen, nutzen Betazellen beim Typ-1- und Typ-2-Diabetes den Mechanismus der Dedifferenzierung (s. Kasten). Einen neuen Faktor, über den man diesem Prozess therapeutisch entgegenwirken könnte, entdeckte das Team um Prof. Lickert bei entwicklungsbiologischen Forschungen zur Pankreasentstehung. Das bis dahin namenlose Protein tauften sie „insulin inhibitory factor“ (Inceptor).1 Molekular ähnelt dessen Rezeptordomäne dem Insulin- und IGF-Rezeptorsystem. „Inceptor bindet an den aktivierten Insulinrezeptorkomplex und schaltet diesen aus“, erklärte der Referent. „Es stoppt die Insulinwirkung in den Betazellen und reguliert so den Blutzucker.“

Dedifferenzierung auch unter Standardtherapien

Wenn Betazellen dedifferenzieren, um prädiabetischem Stress zu entgehen, verlieren sie ihre Funktion. Dass dieser Prozess pharmakologisch umkehrbar ist, hat das Team um Prof. Lickert im vergangenen Jahr demonstriert.1 Sie behandelten diabetische Mäuse mit GLP1-Analoga oder GLP1-Östrogen-Konjugaten sowie Insulin. Mittels Einzel­zell-­mRNA-Sequenzierung beobachteten sie, dass ein gewisser Teil der Betazellen sich wieder dem gesunden Genexpressionsprofil annäherte. „Die redifferenzierten Zellen erreichten zwar nicht komplett ihren Ausgangszustand, aber es war genug, um die Mäuse vollständig metabolisch zu heilen.“ Während GLP1 und Östrogen eher vor Stresstod schützten, erwies sich Insulin als wichtig, um die Zell­identität zurückzugewinnen.

1. Sachs et al. Nature Metabolism 2020; 2: 192-209; DOI: 10.1038/s42255-020-0171-3

Entfernten die Forschenden das Inceptor-Gen in menschlichen Zellkulturmodellen, steigerte das die Insulinaktivierung und -sekretion enorm und verbesserte Wachstum, Überleben und Funktion der Betazellen. Auch eine pharmakologische Blockade mittels Antikörpern führte zu einer empfindlicheren und gesteigerten Insulinantwort. In Mausmodellen mit Typ-2-Diabetes ließen sich die Betazellen und ihre Funktion so erhalten, erklärte Prof. Lickert. Bei klinischen Studien sei zu beachten, dass Inceptor im gesunden Organismus die Betazellen auch vor einer Insulinautoaktivierung schützt. Diese kann Krebs auslösen.

1. Ansarullah et al. Nature 2021; 590: 326-331; DOI: 10.1038/s41586-021-03225-8

Quelle: Diabetes Herbsttagung 2021