Adipositas Erst abspecken, dann Mutter werden

Autor: Maria Weiß

Es kommt vermehrt zu Herzfehlern und 
Totgeburten bei hohem BMI der Mutter. Es kommt vermehrt zu Herzfehlern und Totgeburten bei hohem BMI der Mutter. © New Africa- stock.adobe.com

Diabetes, Bluthochdruck, Präeklampsie – Übergewicht birgt für werdende Mütter erhebliche Risiken. Doch die Probleme beginnen schon vor der Empfängnis und sie enden auch nicht mit der Geburt.

Adipositas ist heute bei Frauen im reproduktiven Alter ein häufiges gesundheitliches Problem. 2017/2018 waren in den USA 39,7 % aller Frauen zwischen 20 und 39 Jahren adipös, d.h. sie hatten einen BMI ≥ 30 kg/m2. Nur knapp 40 % der Schwangeren hatten im Jahr 2020 Normalgewicht. 

Durch mit der Adipositas verbundene chronische Entzündungsprozesse und metabolische Veränderungen kommt es vermehrt zu typischen Schwangerschaftskomplikationen und anderen gesundheitlichen Problemen, schreiben Dr. Andreea Creanga von der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore und Kollegen. 

Es beginnt schon mit dem Wunsch, überhaupt schwanger zu werden. Dieser bleibt bei Adipositas oft lange Zeit unerfüllt, da die Frauen dreimal häufiger unter Menstruationsstörungen leiden als Normalgewichtige. Außerdem haben  sie eine geringere Konzeptionswahrscheinlichkeit pro Zyklus und weisen häufiger eine Sub- oder sogar Infertilität auf. 

Auch das Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, ist bei ihnen deutlich erhöht. Fast alle Schwangerschaftskomplikationen treten bei Adipositas gehäuft auf: So haben adipöse Schwangere im Vergleich zu Normalgewichtigen ein drei- bis viermal höheres Risiko für einen Gestationsdiabetes. Liegt dieser vor, steigt auch das Risiko für Gestationshypertonie, Präeklampsie und eine Kaiserschnittgeburt. Bis zu 70 % dieser Frauen werden innerhalb von 22–28 Jahren nach der Schwangerschaft einen manifesten Typ-2-Diabetes entwickeln, warnen die Autoren.

Eine Präeklampsie tritt bei 10 % aller adipösen Schwangeren auf, mit jedem Anstieg des BMI um 5–7 kg/m2 verdoppelt sich das Risiko. Inflammatorische Faktoren und Insulinresistenz könnten bei der Entsteh­ung eine wichtige Rolle spielen.

Adipöse Schwangere sind ängstlicher

Angst und Depression vor und nach der Geburt werden bei Adipositas gehäuft beobachtet – möglicherweise als Folge einer Stigmatisierung. Es könnte aber auch eine Rolle spielen, dass adipöse Frauen generell häufiger psychische Probleme haben bzw. umgekehrt.

Generell wurde in Geburtskliniken bei adipösen Schwangeren eine gegenüber Normalgewichtigen signifikante, wenn auch nur leicht erhöhte Morbidität festgestellt. Ein Zusammenhang zwischen Übergewicht und Frühgeburten ist zwar nicht eindeutig belegt, doch scheint es zumindest häufiger zu medizinisch indizierten Geburts­einleitungen vor der 37. Schwangerschaftswoche zu kommen.

Auch mit direkten Geburtskomplikationen muss gerechnet werden. Die Zahlen hinsichtlich Geburts­einleitung, Oxytocingabe, Geburtsstillstand und vaginal-operativer Entbindung sind erhöht, eine Schulterdystokie tritt gehäuft auf. Für diese Komplikationen werden vor allem mechanische Gründe (z.B. ein verengter Geburtskanal) verantwortlich gemacht. Ebenfalls erhöht ist das Risiko, das Kind zu übertragen.

Für sich genommen stellt die Adipositas keine Indikation für einen Kaiserschnitt dar. Dennoch ist die Rate bei adipösen Frauen deutlich höher als bei normalgewichtigen. Falls der Eingriff notwendig wird, drohen bei Adipositas vermehrte Narkosezwischenfälle, Wundheilungsstörungen, exzessiver Blutverlust und vermehrte venöse Thromboembolien. 

Postpartal mehr Blutungen  und Thromboembolien

Nach der Geburt ist die Gefahr noch lange nicht vorbei. Das Risiko für postpartale Blutungen scheint erhöht – möglicherweise aufgrund des größeren Verteilungsvolumens der Uterustonika und der Schwierigkeiten, den Fundus bei der bimanuellen Massage zu finden. Das Risiko für Wochenbettinfektionen ist ebenfalls höher. Adipositas ist zudem ein starker Risikofaktor für venöse Thromboembolien – vor allem bei starker Gewichtszunahme während der Schwangerschaft und nach einer Kaiserschnittgeburt.

Auch beim Stillen kann es zu Problemen kommen. Adipöse Frauen sind insgesamt weniger stillfreudig, die Stillzeit ist im Mittel kürzer und es wird häufiger zugefüttert. Gründe könnten u.a. erhöhte Progesteronspiegel, Schwierigkeiten beim Anlegen, Kaiserschnittgeburten und Depressionen sein.

Doch sind nicht nur die Frauen selbst durch die Adipositas gefährdet. Auch bei ihren Kindern können die überschüssigen Pfunde zu erheblichen Komplikationen führen. So treten gehäuft Fehlbildungen wie Herzfehler und Neuralrohrdefekte auf, insbesondere Erstere sind positiv korreliert mit der Höhe des BMI. Auch eine Makrosomie mit zu gro­ßen und zu schweren Kindern findet man oft, was möglicherweise mit der erhöhten Diabetesrate zusammenhängt. Totgeburten vor dem errechneten Termin beobachtet man ebenfalls umso häufiger, je höher der BMI ist.

Um allen diesen Problemen vorzubeugen, sollten junge Frauen schon im Vorfeld über die Probleme informiert und bei einer Gewichtsabnahme unterstützt werden. Während der Schwangerschaft ist bei jeder Vorsorgeuntersuchung das Gewicht zu kontrollieren, ggf. sind Maßnahmen wie Ernährungsumstellung und mehr Bewegung mit der Schwangeren zu diskutieren. 
Wichtig ist ein Screening auf Hypertonie, Proteinurie, Typ-2- und Gestationsdiabetes, Depressionen, obstruktive Schlafapnoe und Substanzmissbrauch. Die empfohlenen Ultraschalluntersuchungen sind  unbedingt einzuhalten. Ein bis zwei Monate vor dem Termin sollten die verschiedenen Geburtsarten und das Thema Stillen angesprochen werden. Eine Antibiotika- und Thromboseprophylaxe ist evtl. in Betracht zu ziehen. 

Quelle: Creanga AA et al. N Engl J Med 2022; 387: 248-259;  DOI: 10.1056/NEJMra1801040