Gewichtsreduktion Adipositas verkompliziert die Schwangerschaft
Es gibt kaum eine Schwangerschaftskomplikation, die bei Adipositas nicht häufiger vorkommt als bei normgewichtigen Frauen, sagte Markus Schmidt von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an den Sana-Kliniken Duisburg. Oft haben die Betroffenen schon vor der Konzeption keinen regelmäßigen Zyklus, was die Berechnung des Geburtstermins erschwert.
Das Risiko der Schwangeren für Aborte, Frühgeburten, Präeklampsie, Gestationsdiabetes und venöse Thromboembolien ist deutlich erhöht. Bei der Geburt wiederum kommt es vermehrt zu Einleitungen, Kaiserschnitt, Schulterdystokie und mütterlichen Infektionen.
Auch die Kinder adipöser Mütter haben schlechtere Karten. Ihr 5-Minuten-APGAR-Wert liegt häufiger unter sieben. Es kommt gehäuft zu Zerebralparesen, die Säuglinge wiegen öfter über 4.500 Gramm und es gibt mehr Fälle von intrauterinem Fruchttod, sprich: Tod des Fötus in der zweiten Schwangerschaftshälfte.
Fötale Fehlbildungen lassen sich schwerer erkennen
Hinzu kommt ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko, das mit der mütterlichen Hyperinsulinämie und einem relativen Folsäuremangel zusammenhängen könnte. Der „Fehlbildungsultraschall“ ist bei Adipositas erschwert und die Rate an erkannten Fehlbildungen deutlich reduziert.
Angesichts dieser vielfältigen Gefahren wäre es also das Beste, stark übergewichtige Frauen mit Kinderwunsch schon vor der Konzeption auf die erhöhten Risiken hinzuweisen und ihnen entsprechende Lebensstiländerungen ans Herz zu legen, sagte der Gynäkologe: „Eine adipöse Frau, die schwanger werden möchte, hat die höchste Motivation, etwas an ihrem Gewicht zu ändern.“ Eine Gewichtsabnahme könne den unregelmäßigen Zyklus stabilisieren. Ebenfalls denkbar: eine bariatrische Operation.
Ist die Schwangerschaft bereits eingetreten, lasse sich am erhöhten Risiko meist nicht mehr viel ändern, so Prof. Schmidt. Daher gelte die Empfehlung, dass adipöse Frauen während der Gestation möglichst nicht mehr als 5–9 kg zunehmen sollten, Übergewichtige nicht mehr als 7–11,5 kg. Die Realität sieht leider anders aus: 25–50 % der Schwangeren mit einem BMI > 25 kg/m2 verzeichnen eine exzessive Gewichtszunahme während der Schwangerschaft.
Welche vorbeugenden Maßnahmen bei adipösen Schwangeren empfohlen werden, hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in ihrer jetzt aktualisierten Leitlinie zusammengefasst:1
- Ab einem BMI über 35 kg/m2 wird eine Präeklampsieprophylaxe mit 150 mg ASS pro Tag ab der elften Schwangerschaftswoche (SSW) empfohlen.
- Bei übergewichtigen Schwangeren sollte wegen des erhöhten GDM-Risikos schon im ersten Trimenon eine Abklärung des Glukosestoffwechsels mit Bestimmung des Nüchternblutzuckers, des HbA1C und ggf. ein oGTT erfolgen.
- Ist in der Frühschwangerschaft alles unauffällig, erfolgt ein zweites Screening in der 24. bis 28. SSW.
- Bei Frauen mit bariatrischen Operationen in der Vorgeschichte wird der oGTT durch venöse Nüchternblutzuckerbestimmungen und Blutzuckertagesprofile ersetzt.
- Bei adipösen Frauen mit Gestationsdiabetes, ausgeprägter Insulinresistenz und sehr hohem Insulinbedarf kann evtl. zusätzlich Metformin gegeben werden (Cave: off label).
- Haben Frauen zusätzlich zum Übergewicht noch einen oder mehrere weitere Thrombose-Risikofaktoren, wird zu einer medikamentösen Thromboseprophylaxe geraten, die bis zu sechs Wochen nach der Entbindung weitergeführt werden sollte.
Zum Ende der Schwangerschaft müssen die Frauen darüber aufgeklärt werden, dass eine Überschreitung des errechneten Geburtstermins dem Kind gefährlich werden kann. Bei zusätzlichen Risikofaktoren könne man unter Umständen eine Einleitung ab der 39. SSW anbieten, erklärte der Referent. Man brauche dafür aber höhere Dosen von Oxytocin und Prostaglandinen. Gleichzeitig sehen die Erfolgsaussichten ungünstiger aus. Dies erkläre unter anderem die deutlich höhere Sectiorate im Zusammenhang mit Adipositas.
1. S3-Leitlinie Adipositas und Schwangerschaft der DGGG. AWMF-Register-Nr. 015-081
Quelle: Diabetes Kongress 2021