Prähabilitation Fit für den Eingriff

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Mit präoperativen Bewegungstherapien lassen sich die Voraussetzungen optimieren und damit die Morbiditäts- und Mortalitätsraten senken. (Agenturfoto) Mit präoperativen Bewegungstherapien lassen sich die Voraussetzungen optimieren und damit die Morbiditäts- und Mortalitätsraten senken. (Agenturfoto) © Lumos sp – stock.adobe.com

Senioren haben bei onkologischen Operationen ein erhöhtes Komplikations- und Mortalitätsrisiko. Durch ein frühzeitiges Screening auf Mangelernährung, Gebrechlichkeit und Sarkopenie kann man im Vorfeld gezielt gegensteuern.

Am Anfang steht die Labordia­gnostik. So ist ein Serum­albuminwert < 30 g/l ein unabhängiger Prädiktor für postoperative Komplikationen. Er gilt als Surrogat­marker für eine Mangelernährung (s. Kasten). Allerdings muss bei der Interpretation berücksichtigt werden, dass auch Entzündungen jeglicher Art und Einschränkungen von Leber- und Nierenfunktion den Spiegel senken können, erklären Dr. ­Florian ­Frank von der München Klinik Neuperlach und Koautoren. Ein weiterer wichtiger Parameter ist das Hämoglobin. Denn eine An­ämie ist ein Risikofaktor für erhöhte Morbidität und Mortalität sowie eine längere Verweildauer im Krankenhaus. Wenn der Hb-Wert bei Männern < 13 g/dl liegt und bei Frauen < 12 g/dl, sollte der Eisenstatus erhoben werden. Schließlich ist eine Blutarmut in bis zu einem Drittel der Fälle durch einen Fe-Mangel bedingt. 

Mangelernährung erkennen

  • Body-Mass-Index (BMI) < 18,5 kg/m2 oder 

  • unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 3–6 Monaten oder 

  • BMI < 20 kg/m2 und unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 5 % in den letzten 3–6 Monaten

An zweiter Stelle folgt der Ernährungscheck. Je nach Art und Stadium des Tumors sind bis zu 70 % der stationär behandelten onkologischen Patienten mangelernährt. Die unzureichende nutritive Versorgung verschlechtert das Outcome. Deshalb empfehlen die Autoren eine Kontrolle, z.B. mithilfe des Nutritional-Risk-Screenings (NRS 2002). Liegen Hinweise auf ein Defizit vor, muss die alimentäre Situation genauer eruiert werden.

Auch zur Einschätzung der Gebrechlichkeit stehen inzwischen diverse Screeningverfahren zur Verfügung. Eines davon ist das Frailty-Modell nach Fried. Es erfasst fünf Para­meter, die mit jeweils einem Punkt bewertet werden: 

  • Muskelschwäche (via Handkraftmessung)

  • langsame Gehgeschwindigkeit

  • geringe körperliche Aktivität

  • ungewollter Gewichtsverlust von > 4,5 kg im letzten Jahr

  • Erschöpfung

Als gebrechlich gilt ein Patient, wenn drei der fünf Kriterien erfüllt sind. Bei einem oder zwei Punkten spricht man von einer „Pre-Frailty“. 

Eine potenzielle Sarkopenie lässt sich auf verschiedenen Wegen abklären. Zunächst sollte ein Screening beispielsweise mit dem SARC-Fragebogen erfolgen. Dabei werden die fünf Parameter Kraft, Gehen, Aufstehen, Treppensteigen und Stürze mit jeweils 0–2 Punkten erfasst. Ein Gesamtwert unter vier Punkten schließt eine Sarkopenie aus. Liegt er höher, ist weitere Diagnostik ratsam.

Alternativ kann auch die Gang­geschwindigkeit gemessen werden (z.B. Sechs-Minuten-Gehstrecke). Bei Hinweisen auf einen Abbau der Skelettmuskulatur ist eine detaillierte Abklärung indiziert (z.B. Handkraftmessung, bildgebende Verfahren). Als weiteres Verfahren hat sich in der onkologischen Viszeralchirurgie der Total-Psoas-Index bewährt. Er kann im Rahmen der für das Staging meist ohnehin notwendigen Computertomografie miterfasst werden. 

Was kann man nun konkret tun, um den Ausgangszustand der Patienten vor einem Eingriff zu verbessern? Zu den obligaten Maßnahmen zählt der Ausgleich einer präoperativen Anämie. Wenn diese mit Eisenmangel einhergeht, muss eine Substitution zur Normalisierung des Hb-Werts erfolgen. Aus zeitlichen Gründen sollte die Ferrum-Applikation parenteral erfolgen. Eine Gabe ist auch bei dringlichen Eingriffen indiziert, denn sie erhöht den postoperativen Hämoglobinwert. 

Bei einer leichten Mangelernährung genügt oft eine häusliche Supplementierung (Eiweißpulver, hochkalorische Trinknahrung) über ein bis zwei Wochen. Im Fall eines ausgeprägten Defizits kann ein parenteraler Ausgleich unter stationären Bedingungen erforderlich sein. 

Auch durch eine präoperative Bewegungs- und Sporttherapie lässt sich die Prognose verbessern. Die Maßnahmen reichen je nach Ausgangssituation vom raschen Spazierengehen bis zum Krafttraining im Fitnessstudio. Manchmal genügt bereits der eindringliche Hinweis auf den Nutzen von körperlicher Aktivität. Außerdem sollte den Patienten schon vor dem Eingriff eine psychologische Betreuung angeboten werden. Alkohol- und Nikotinkarenz im Vorfeld einer Intervention ist ebenfalls empfehlenswert. 

Aus onkologischer Sicht sind durch die auch als Prähabilitation bezeichneten Maßnahmen keine Nachteile zu befürchten. Im Gegenteil: Die Voraussetzungen für den Eingriff werden optimiert, was die perioperativen Morbiditäts- und Mortalitätsraten senkt. Außerdem konnten Studien zeigen, dass der Termin für eine Krebsoperation meist ohne Schmälerung der Prognose um vier bis acht Wochen verschoben werden kann. 

Quelle: Frank F et al. internistische praxis 2023; 66: 477-486