Mikrobiota-Transplantation Fremdfäkalien sollen es richten
Der bakteriellen Fehlbesiedelung des Darms kommt vor allem bei den Clostridioides-difficile-Infektionen eine entscheidende Bedeutung zu. Auch in der Pathogenese von Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Pouchitis sowie dem Colon irritabile scheint eine Dysbiose des Darms eine Rolle zu spielen. Fäkale Mikrobiota-Transplantationen (FMT) oder die Applikation von Spezialpräparaten aus dem Stuhl gesunder Spender sollen die intestinale Flora wiederherstellen. In einer Leitlinie der American Gastrointestological Association (AGA) ist in sieben Empfehlungen zusammengefasst, wer von derartigen Maßnahmen profitieren kann. Für ihre Analyse durchsuchten die Autoren des Regelwerks um Dr. Anne Peery von der University of North Carolina in Chapel Hill die Literaturdatenbanken und werteten letztlich 66 Arbeiten aus, die ihren Kriterien entsprachen. Allerdings handelt es sich in der Regel um kleinere Untersuchungen. Aufgrund der dürftigen Evidenz für die verschiedenen Indikationen beschränken sich die Autoren auf Kann-Empfehlungen.
1. Rezidivierende CDI bei Immunkompetenz
Bei immunkompetenten ambulant versorgten Patienten mit rezidivierender Clostridioides-difficile-Infektionen (CDI) raten die Experten zum fäkalen Mikrobiomtransfer im Anschluss an die antibiotische Standardbehandlung. Das kann mittels herkömmlicher Stuhltransplantation oder mit den beiden kommerziell erhältlichen, von der FDA zugelassenen Spezialpräparaten Fecal Microbiota Live-Jslm oder Fecal Microbiota Spores Live-Brpk erfolgen. Die Therapie wird üblicherweise nach dem zweiten Rückfall begonnen, also in der dritten Episode. Sie kommt auch für ausgewählte Personen mit hohem Rezidivrisiko oder schwerem Verlauf in Betracht. Geeignet ist die Behandlung als Rückfallprophylaxe, nicht aber für die Therapie. Die konventionelle FMT erfolgt ausschließlich mit kontrolliertem Spenderstuhl.
2. Rezidivierende CDI bei Immunschwäche
Auch leicht bis mittelgradig immungeschwächte Patienten mit rekurrierender CDI profitieren wahrscheinlich von einer herkömmlichen Stuhltransplantation nach standardmäßiger Antibiotikatherapie. Voraussetzung ist, dass sie in ambulanter Behandlung sind und dass der Krankheitsverlauf weder schwer noch fulminant ist. Für die Spezialpräparate Fecal Microbiota Live-Jslm und Fecal Microbiota Spores Live-Brpk fehlt es noch an Evidenz für den Einsatz bei diesen Patienten.
Bei schwer beeinträchtigter Immunfunktion raten die Leitlinienautoren von den mikrobiombasierten Therapien ab. Das gilt z.B. für Malignompatienten unter zytotoxischer Therapie, Personen mit schwerem primärem Immundefekt und für HIV-Infizierte mit < 200/mm3 CD4-Zellen.
3. Fulminante, stationär behandelte CDI
Bei Patienten, die wegen ausgeprägter oder fulminanter CDI stationär behandelt werden und auf eine antimikrobielle Behandlung nicht ansprechen, kann man eine konventionelle Stuhltransplantation erwägen. Als schwer gilt eine C.-difficile-Infektion, wenn die Leukozytenzahl ≥ 15 x 109 Zellen/l beträgt und/oder das Kreatinin ≥ 1,5 mg/l. Fulminant ist die CDI, wenn sich der Patient im Schock befindet oder einen Ileus oder Megakolon entwickelt hat. Kontraindiziert ist die Maßnahme bei Darmperforation, Obstruktion oder schwer beeinträchtigter Infektabwehr.
Der Nutzen einer adjuvanten Therapie mit Fecal Microbiota Spores Live-Brpk oder Fecal Microbiota Live-Jslm bei schwerer oder fulminanter C.-difficile-Infektion ist bisher nicht belegt. Wenn eine Darmreinigung vor der Stuhltransplantation unmöglich oder nicht sicher durchführbar ist, kann die Applikation ohne intestinale Vorbereitung erfolgen.
Die erste Dosis der FMT sollte mittels Koloskopie oder flexibler Sigmoidoskopie gegeben werden. Denn die Dickdarmspiegelung ermöglicht es dem Untersucher, die Diagnose zu sichern und den Schweregrad der Erkrankung abzuschätzen. Bei Patienten mit schwerer oder fulminanter CDI gibt es bisher nur eine unzureichende Evidenz zur Applikation als Einlauf oder Kapsel. Von der Verabreichung über eine nasale Magensonde raten die Leitlinienautoren wegen der Aspirationsgefahr ab.
4. Colitis ulcerosa
Zur Colitis ulcerosa liegen zwar immer mehr Ergebnisse vor, die für die Wirksamkeit der Stuhltransplantation sprechen. Dennoch raten die amerikanischen Gastroenterologen derzeit noch vom Einsatz außerhalb klinischer Untersuchungen ab, solange andere Optionen bestehen. Studien belegen zwar eine verbesserte Induktion klinischer Remissionen, ein günstiger Einfluss auf den Remissionserhalt ist aber nicht belegt. Außerdem lässt die Datenlage zur Sicherheit bei der Indikation Colitis ulcerosa zu wünschen übrig.
5. Morbus Crohn
Patienten mit Morbus Crohn sollten, abgesehen von Einzelfällen oder im Rahmen von Studien, aufgrund mangelnder Evidenz nicht mittels konventioneller Mikrobiota-Transplantation behandelt werden, meinen die Experten. Zur Remissionsinduktion konnten sie keine einzige randomisierte kontrollierte Studie finden. Ein positiver Einfluss auf den Erhalt des einmal erzielten Erfolgs ist nicht belegt. Außerdem fehlen Daten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, Lebensqualität und dem endoskopischen Remissionserhalt.
6. Pouchitis
Ebenfalls noch negativ ist das Urteil der Fachgesellschaft zum Einsatz der Stuhltransplantation bei der Pouchitis, sofern diese Maßnahme außerhalb von Studien erfolgt. Zur Wirkung der konventionellen FMT bei diesen Patienten fanden die Autoren nur zwei kleine Studien, denen zufolge die Therapie keinen Einfluss auf den Remissionserhalt hat. Eine weitere Arbeit wurde mangels Wirkung vorzeitig beendet. Weitere Forschung muss nun klären, ob bestimmte Patienten womöglich doch profitieren.
7. Colon irritabile
Bei Patienten mit Colon irritabile raten die Autoren derzeit vom konventionellen Mikrobiomtransfer außerhalb der Forschung ab. Studienergebnisse sprechen dafür, dass in der Pathogenese des Reizdarmsyndroms auch eine intestinale Dysbiose und eine Störung der Darm-Hirn-Achse bestehen. In Studien erwies sich die Stuhltransplantation zwar als sicher. Schweregrad der Erkrankung und Lebensqualität besserten sich aber nicht.
Quelle: Peery AF et al. Gastroenterology 2024; 166: 409-434; DOI: 10.1053/j.gastro.2024.01.008