Prostatakrebs Für selektierte Patienten kann aktive Überwachung eine Option sein
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Eine valide Strategie für Männer mit lokalisiertem Prostatakarzinom und niedrigem Risiko ist die aktive Überwachung. Dabei wird der Beginn der kurativ intendierten Therapie bis zum Zeitpunkt einer Progression aufgeschoben. Experten diskutieren, ob man dieses Vorgehen auch Erkrankten mit intermediärem Risiko anbieten kann. Gefahren, Vorteile und insbesondere Möglichkeiten der Patientenselektion diskutierte Prof. Dr. Stacy Loeb, NYU Langone Health, New York.
Definition: intermediäres Risiko
Männer mit intermediärem Risiko sind laut S3-Leitlinie definiert als
- PSA > 10 ng/ml–20 ng/ml oder
- Gleason-Score 7 oder
- cT-Kategorie 2b.
Quelle: S3 Leitlinie „Prostatakarzinom“, AWMF-Register-Nr.: 043/022OL
Auch wenn die aktive Überwachung in den USA in den vergangenen Jahren häufiger durchgeführt werde als früher, seien die so „behandelten“ Männer mit intermediärem Risiko immer noch eine Minderheit, berichtete die Referentin. Eine Beobachtungsstudie am National Prostate Cancer Register of Sweden ergab, dass im Fall von Prognostic Grade Group 1 Karzinomen (Gleason-Score 6) eine aktive Überwachung bis zu einer PSA-Wert-Schwelle von 15 ng/ml erfolgen kann; bei einem PSA-Wert über 15 ng/ml oder Tumoren der Prognostic Grade Group 2 (Gleason Score 3+4=7) ist allerdings Vorsicht geboten. Eine Datenbankanalyse kam zu dem Ergebnis, dass selektierten Personen mit einem Gleason Score von 6 und PSA-Werten von 10–20 ng/ml die aktive Überwachung angeboten werden kann.
Kein Active Surveillance für intraduktale und kribriforme Tumoren
Prof. Loeb wies auf die Sonderrolle intraduktaler und kribriformer Prostatakarzinome hin: Patienten, die daran erkrankt sind, sollte man keine aktive Überwachung anbieten, sie aber auf Keimbahnmutationen in den BRCA- und ATM-Genen testen. Beim lokalisierten Prostatakrebs würden Keimbahntestungen viel zu selten durchgeführt, sie seien aber ein wichtiger Faktor für die Prognose- und Risikoabschätzung, betonte die Referentin. In der Diskussion wurde außerdem die Frage nach dem Stellenwert genomischer Tests zur Stratifizierung von Männern mit intermediärem Risiko laut. Beide – sowohl die Keimbahn- als auch die genomische Testung – seien wichtig, so Prof. Loeb, und liefern den Betroffenen Entscheidungskriterien. Genetische Keimbahntestungen müssten verstärkt werden. Als Instrument zur Patientenselektion und Risikostratifizierung sei außerdem die PSMA-PET/CT sehr vielversprechend. Besonders wichtig sei die Qualität der Überwachung von Männern mit intermediärem Risiko; diese müsse risikoadaptiert erfolgen, um eine Erhöhung der Metastasierungsraten zu vermeiden. Abschließend hob Prof. Loeb die Rolle einer Lebensstiländerung hervor, die sich günstig auswirken kann. Sie betonte, dass schließlich auch Prostatakarzinom-Patienten mit einem intermediären Risiko eher an anderen Erkrankungen, z.B. kardiovaskulären Problemen, als an ihrem Tumor sterben.Quelle: Loeb S et al. 2022 ASCO Genitourinary Cancers Symposium; “Optimizing Management of Localized Prostate Cancer: Artificial Intelligence, Active Surveillance, and Intervention“