Gehirnerschütterung Gefährlicher Kopfball
Drei Minuten. So viel Zeit bleibt Mannschaftsärzten auf dem Platz, um zu entscheiden, ob sich ein Spieler eine Gehirnerschütterung zugezogen hat oder nicht. Auch wenn eine solche Verletzung im Profifußball vergleichsweise selten vorkommt, standen die etablierten Vorgehensweisen zuletzt immer häufiger in der Kritik. Rufe nach Regelanpassungen zum Schutz der Spieler wurden laut.
Das International Football Association Board (IFAB) rief in diesem Zusammenhang eine Expertengruppe unter der Leitung von Professor Dr. Vincent Gouttebarge ins Leben. Der ehemalige Fußballprofi ist heute Chief Medical Officer der FIFPRO (Football Players Worldwide) und Dozent an der Universität Amsterdam. Das internationale Team erarbeitete eine Reihe von Maßnahmen, um „die Wahrnehmung von und den Umgang mit Gehirnerschütterungen im Profifußball zu verbessern“, so Prof. Gouttebarge.
Das Wohl der Spieler an die erste Stelle setzen
Als wesentlichen Schritt sehen die Experten hierbei zunächst die Aufklärung. Eine vorgeschriebene jährliche Weiterbildung könnte den Sportlern dabei helfen, ihre Symptome richtig zu beschreiben und Trainer wie Offizielle davon zu überzeugen, das Wohl des Spielers stets an erste Stelle zu setzen. In einigen Ligen wird dies bereits praktiziert. Sobald der Verdacht eines leichten Schädel-Hirn-Traumas besteht, sollte zudem sofort ausgewechselt werden. Frei nach dem im Rugby üblichen Motto „if in doubt, sit them out“.
Der Zugang zu Videomaterial kann die Diagnosestellung erleichtern. Denn von der Seitenlinie ist der Blick auf den Spieler oft nur eingeschränkt möglich. Zeitlupe und Großaufnahme hingegen erlauben es, mögliche Anzeichen einer Gehirnerschütterung besser zu erkennen. Im Rahmen der EM 2020 wurde dies bereits erprobt. Prof. Gouttebarge und Kollegen empfehlen dabei den Einsatz von qualifiziertem medizinischem Personal.
Größeres Zeitfenster für die medizinische Beurteilung
In der Kritik steht zudem das kurze Zeitfenster. „Für die gründliche Bewertung einer Gehirnerschütterung wird mehr Zeit benötigt“, schreiben die Experten. Im internationalen Konsens komme man hier auf mindestens zehn statt drei Minuten. Auch brauche es für die gründliche Untersuchung einen ruhigen Ort abseits des Spielfelds, im besten Fall mit der Möglichkeit zur Auswertung des Videomaterials. Hierzu müssten die Spielregeln evtl. geändert werden: Die Einführung eines „temporären Spielerwechsels“ während der Behandlungszeit könnte helfen.
Nach einer Gehirnerschütterung ist die nötige Erholungszeit unbedingt einzuhalten. Die Überwachung muss durch den Teamarzt erfolgen. Dieser verantwortet abschließend auch die dokumentierte Freigabe des Spielers. An eine Rückkehr auf den Platz sei frühestens am sechsten Tag nach Abklingen der Symptome zu denken, so die Meinung der Autoren. Die vorgestellten Maßnahmen sollten nicht einzeln, sondern als umfassender Ansatz gesehen werden, schließen die Experten.
Quelle: Gouttebarge V et al. Br J Sports Med 2021; DOI: 10.1136/bjsports-2021-104796