Kasuistik Gefährliches Schlafzimmer
Wegen ihrer COVID-19-Infektion hatte sich eine Frau in ihrem Schlafzimmer isoliert. Dort fanden sie die Angehörigen am nächsten Vormittag tief schlafend und kaum reagierend vor und verständigten den Notarzt, berichten Anna Reimann und Kollegen vom Kantonsspital Baden. Die Rettungssanitäter stellten einen Glasgow-Coma-Scale-Wert von 14 fest. Die Patientin hatte zudem hohes Fieber und war tachykard, ihre periphere Sauerstoffsättigung betrug lediglich 89 %. Auf der Notfallstation war die Frau zwar stets weckbar, schlief im Gespräch jedoch immer wieder ein. Anamnese und Untersuchungen lieferten zunächst keine Hinweise auf eine Vergiftung. Die recht blande verlaufende Coronainfektion kam als Ursache der Probleme nicht infrage. Auch Labor und Schädel-CT waren unauffällig.
Blutgasanalyse führte auf die richtige Spur
Erst die arterielle Blutgasanalyse lieferte mit einem Carboxyhämoglobin von 22,8 % den entscheidenden Hinweis. Anamnestisch ergab sich aber kein Anhalt für eine Exposition, die diesen Befund hätte erklären können: Kein Brand oder Feuer in der Nähe, und in der Wohnung selbst befanden sich weder ein Durchlauferhitzer noch ein Gasofen. Auch Nikotinkonsum und Suizidgedanken wurden von den Angehörigen glaubhaft bestritten. Zudem hatte keine der im selben Haushalt lebenden Personen ähnliche Symptome.
Die Giftnotrufzentrale empfahl dennoch, nach einer CO-Quelle zu suchen. Tatsächlich fanden sich im Schlafzimmer erhöhte Kohlenmonoxidwerte. Schließlich konnte ein Leck in einem Abgasrohr vor dem Schlafzimmerfenster als Quelle ausgemacht werden.
Unter der Gabe von 100 % Sauerstoff via Maske ging es der Patientin schnell besser. Das CO-Hb sank sukzessive ab und lag nach gut drei Stunden bereits bei 4,5 %. Auf Station wurde die Patientin noch kurz überwacht und dann in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen.
Leichte oder mittelgradige CO-Vergiftungen sind aufgrund der unspezifischen Symptome schwer zu erkennen, warnen die Autoren. Neben Kopfschmerzen und Schwindel treten z.B. Übelkeit und Erbrechen auf, manchmal kommt es auch zu Dyspnoe und Synkopen. Wenn die Umstände keine Hinweise auf eine mögliche CO-Exposition liefern, kann eine solche Intoxikation leicht übersehen werden. In diesem Fall kam noch hinzu, dass die Coronainfektion die Ärzte leicht auf die falsche Fährte hätte führen können. Bei unklaren Kopfschmerzen, Schwindel, Schwäche, Vigilanzminderung, Übelkeit und Erbrechen sollte man immer auch an eine Kohlenmonoxidvergiftung denken und mögliche CO-Quellen erfragen. Das gilt insbesondere, wenn die Beschwerden an bestimmten Orten und rezidivierend auftreten, betonen die Autoren.
Quelle: Reimann AV et al. Swiss Med Forum 2024; 24: 11-13; DOI: 10.4414/smf.2024.1144434576