Kohlenmonoxid-Vergiftung: Spätfolgen drohen noch Wochen später
In einer geschlossenen Lagerhalle hatte sich ein 49-jähriger Gabelstaplerfahrer eine CO-Vergiftung zugezogen, die zum Bewusstseinsverlust mit Koma geführt hatte. Nach intensivmedizinischer Überwachung und invasiver Beatmung mit 100%igem Sauerstoff normalisierten sich die stark erhöhten CO-Hb-Werte wieder. Der Patient konnte extubiert werden und wurde nach einigen Tagen in die Reha-Klinik verlegt.
Damit war die Sache aber noch nicht ausgestanden: Sechs Tage nach der Intoxikation entwickelte der Patient Kopfschmerzen, neuropsychiatrische Auffälligkeiten, Schmerzen der Hände und Füße sowie eine Parese der Beine. Aufgrund der neuen Symptomatik wurde der Patient in die Klinik für Neurologie an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf verlegt. Ein Zusammenhang mit der CO-Vergiftung wurde zunächst nicht vermutet.
Patient musste Opioide und Neuroleptika bekommen
Dr. Iris Lettow und Kollegen sahen hier einen Patienten mit schwerer generalisierter Angststörung, affektiver Irritabilität und Impulskontrollstörung – laut Ehefrau war der Mann vollkommen verändert. Später kamen noch Myoklonien, eine hyperkinetische Bewegungsstörung und medikamentenresistentes Erbrechen hinzu. In der neuropsychologischen Testung schnitt der Patient sehr schlecht ab. Insbesondere Lernen, verbales Gedächtnis, Sprache und exekutive Funktionen waren beeinträchtigt.
Ein erstes MRT fünf Tage nach Aufnahme in die Klinik war unauffällig. Nach 13 Tagen zeigten sich im Globus pallidus beidseits hämorrhagische Nekrosen. Außerdem wurde eine demyelinisierende Polyneuropathie nachgewiesen. Der Patient wurde symptomatisch mit Neuroleptika und hoch dosierten Opioiden gegen die Schmerzen behandelt.
Mit solchen neuropsychiatrischen Spätfolgen der CO-Vergiftung muss bei etwa 10 % bis 20 % der Patienten gerechnet werden, schreiben die Autoren. Die Latenz der toxischen Enzephalopathie liegt bei 2–40 Tagen. Typisch sind vor allem psychiatrische Symptome wie kognitive Einschränkungen, affektive Veränderungen (vor allem Depressionen) sowie Angststörungen und erhöhte affektive Irritabilität. Ein weiteres Kernsymptom sind Bewegungsstörungen, wobei am häufigsten ein Parkinsonismus beobachtet wird. Insgesamt sind die Symptome sehr variabel, die Bildgebung kann auch unauffällig ausfallen.
Der genaue Pathomechanismus der verzögerten Enzephalopathie ist nicht geklärt. Eine Rolle könnte die Bindung von CO an Myoglobin spielen, das dadurch seine Fähigkeit als O2-Kurzzeitspeicher verliert. Auch Destruktionen von Zellmembranen mit Veränderungen der Myelinscheiden und immunologische Prozesse sind beschrieben. Ob der therapeutische Einsatz von hyperbarem Sauerstoff Nutzen bringt, ist unklar. Insgesamt ist die Prognose auch ohne spezifische Therapie nicht schlecht: 75–83 % der Patienten erholen sich innerhalb von 6–12 Monaten vollständig. Am häufigsten bleiben Gedächtnisstörungen und affektive Symptome zurück.
Quelle: Lettow I et al. Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86: 342-347