Herzinsuffizienz Herzschutz als Krebsschutz?

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Es gibt ein Reihe von Ansatzpunkten, über die Herzmedikamente die Krebsentstehung verhindern könnten. Es gibt ein Reihe von Ansatzpunkten, über die Herzmedikamente die Krebsentstehung verhindern könnten. © the_lightwriter – stock.adobe.com

Patienten mit Herzinsuffizienz sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung stärker gefährdet, an Krebs zu erkranken und daran zu sterben. Die richtige Auswahl der medikamentösen Therapie könnte dem möglicherweise entgegenwirken. Doch noch gibt es viele Unbekannte.

Herzinsuffizienz und Krebs zählen zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Obwohl es sich um zwei grundsätzlich unterschiedliche Erkrankungen handelt, besteht eine wechselseitige Beziehung. So hängen etwa manche Risikofaktoren und pathophysiologische Mechanismen miteinander zusammen. Kardiovaskuläre Erkrankungen sind bei Tumorpatienten die führende nicht-krebsbedingte Todesursache. Gleichzeitig haben Herzinsuffizienzpatienten eine höhere Krebsinzidenz sowie schlechtere onkologische Ergebnisse als Patienten ohne Herzerkrankung, schreiben Forscher um Nabil Sayour von der Semmelweis-Universität in Budapest.

Die Prävention und die Behandlung einer neu auftretenden Herzinsuffizienz bei Krebspatienten ist in den entsprechenden Leitlinien verankert. Es gibt jedoch keine offiziellen Empfehlungen dazu, wie man bösartige Tumorerkrankungen bei Herzpatienten verhindern oder den Verlauf günstig beeinflussen kann. Die Autoren haben daher zusammengetragen, was über die Auswirkung medikamentöser Herzinsuffizienz-Therapien auf Krebserkrankungen bekannt ist.

Betablocker

Beta-Adrenozeptoren werden auf Krebszellen, Stromazellen und tumorassoziierten Makrophagen exprimiert und beeinflussen über nachgeschaltete Signalwege vermutlich das Fortschreiten einer Krebserkrankung. Theoretisch hätten Betablocker daher das Potenzial, die Krebsinzidenz bei Herzinsuffizienzpatienten zu senken oder den Verlauf einer Krebserkrankung zu verbessern.

In präklinischen Studien zeigten Betablocker in der Tat eine signifikante krebshemmende Wirkung. Die Ergebnisse von Metaanalysen klinischer Studien lieferten hingegen uneinheitliche und teils widersprüchliche Ergebnisse. Während in einigen ein verbessertes Gesamtüberleben bei Brust- und Lungenkrebs sowie beim Melanom berichtet wurde, gab es in anderen keinen oder sogar einen negativen Effekt.

RAAS-Inhibitoren

Eine RAAS*-Dysregulation kann die Entstehung von Karzinomen fördern. Die krebshemmende Wirkung von Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmern (ACEI), Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB) und Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA) konnte in präklinischen Studien bestätigt werden.

Dahingegen sind die klinischen Daten zur Wirkung von RAAS-Inhibitoren auf das Risiko für neu auftretende Krebserkrankungen widersprüchlich. In den meisten Metaanalysen fand sich kein Effekt. Nicht-randomisierte Untersuchungen ergaben eine geringere Rate an Ösophagus-, Prostata-, Lungen- und kolorektalen Karzinomen unter ACEI/ARB; Nierenkarzinome und Melanome wurden dafür häufiger beobachtet.

Bei Herzinsuffizienzpatienten mit vorbestehender Krebserkrankung ist die Frage einfacher zu beantworten. Hier zeigen viele Metaanalysen, dass RAAS-Inhibitoren das onkologische Outcome verbessern können.

ARNI

Es liegen nur wenige Daten zur Wirkung von Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI) auf das Krebsrisiko vor. In einer zulassungsrelevanten, randomisierten klinischen Studie war jedoch der Anteil der Krebstodesfälle unter ARNI und ACEI vergleichbar. Dahingegen führte die Einnahme von ARNI/ACEI/ARB in einer Kohortenstudie an Herzinsuffizienzpatienten mit leicht reduzierter Auswurffraktion zu einem Anstieg der Krebsinzidenz innerhalb von drei Jahren.

SGLT2-Inhibitoren

Glukose ist als eines der Hauptsubstrate von Krebszellen für deren Überleben und Wachstum essenziell. Vor diesem Hintergrund entstand die Hypothese, dass die stoffwechselverändernde Wirkung von SGLT2**-Inhibitoren auch vor Malignität schützen könnte.

Im Tiermodell wurde eine krebshemmende Wirkung von SGLT2-Inhibitoren nachgewiesen. Diese ließ sich auf Mechanismen zurückführen, die von der Glukoseaufnahme bzw. dem Stoffwechsel abhängig waren. Darüber hinaus gibt es aber auch Berichte über eine krebshemmende Wirkung von SGLT2-Inhibitoren unabhängig vom systemischen Blutzuckerstatus. Weitere präklinische Studien legen nahe, dass diese Wirkstoffe prokarzinogene Entzündungen verringern, Proto-Onkogene inaktivieren und das Fortschreiten von Krebs unterdrücken.

In klinischen Studien wurde vereinzelt über geringere Inzidenzen für verschiedene Karzinome unter SGLT2-Hemmern berichtet. Meta-Analysen, in denen die Auswirkungen nach Krebsarten untersucht wurden, zeigten allerdings keine signifikanten Veränderungen des Risikos für Brust-, Lungen-, Prostata-, Nieren-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs. Beim Melanom zeigte sich sogar ein tendenziell erhöhtes Risiko unter SGLT2-Inhibitoren.

Das widersprüchliche Bild unterstreicht den Autoren zufolge, dass präklinische Studienergebnisse in diesem Bereich schlecht auf die Klinik übertragbar sind. Mehr Erkenntnisse würden randomisiert-kontrollierte Phase-2-Studien zur Auswirkung von Herzmedikamenten auf Krebserkrankungen bringen, so ihr Fazit.

* Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
** Natrium-Glukose-Cotransporter-2

Quelle: Sayour NV et al. Eur Heart J 2024; DOI: 10.1093/eurheartj/ehae105