Dualer GIP/GLP1-Agonist Hoffnungsträger Tirzepatid
Eine Abnahme von mehr als 15 % des Körpergewichts bietet Menschen mit Typ-2-Diabetes die Chance, quasi eine Remission der Erkrankung zu erreichen, sagte Dr. Dominik Dahl, niedergelassener Diabetologe aus Hamburg. Mit Lebensstilinterventionen und den bisherigen medikamentösen Ansätzen ließ sich dies aber nur selten erreichen. In neue Medikamente wie das jetzt für die Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassene Tirzepatid werden daher große Hoffnungen gesetzt.
Monotherapie und Kombination mit weiteren Medikamenten
Grundlage der Zulassung ist das SURPASS-Studienprogramm, in dem Tirzepatid in den Dosierungen von 5, 10 und 15 mg (einmal wöchentlich s.c.) untersucht wurde.
In der SURPASS-1-Studie wurden Patient*innen mit Typ-2-Diabetes behandelt, die bisher noch keine Therapie erhalten hatten. Während der HbA1c-Wert unter Placebo etwa gleich blieb, kam es unter Tirzepatid zu einem deutlichen Rückgang von einem Ausgangswert von 8,0 auf Werte um die 6,0 %. Über 80 % der Patient*innen erreichten Werte ≤ 6,5 %, und über die Hälfte unter einer Dosierung von 15 mg auch Werte unter 5,7 % – „ohne Hypoglykämierisiko“, wie der Referent betonte. Parallel dazu nahmen die Teilnehmenden je nach Dosis innerhalb von 40 Wochen etwa 6 bis 10 kg ab.
In die SURPASS-2-Studie wurden Menschen mit Typ-2-Diabetes eingeschlossen, die bereits mit einer stabilen Metformin-Dosis behandelt wurden. Hier wurden die drei Tirzepatid-Dosierungen mit der einmal wöchentlichen Gabe von Semaglutid verglichen. Von einem Ausgangs-HbA1c-Wert von im Mittel 8,5 % sank der Wert unter Semaglutid auf 6,42 %; unter den drei Tirzepatid-Dosierungen auf Werte zwischen 6,19 und 5,82 %. Auch in puncto Gewichtsabnahme erwies sich der duale Agonist als überlegen: Unter Semaglutid wurde im Mittel eine Gewichtsabnahme von 6,2 kg (6,7 % des Ausgangsgewichtes) erreicht, unter Tirzepatid nahmen die Menschen zwischen 8,5 und 13,1 % des Ausgangsgewichtes ab.
SURPASS-Programm
In das globale klinische Entwicklungsprogramm SURPASS waren mehr als 13.000 Menschen mit Typ-2-Diabetes eingeschlossen. Das Programm umfasst 10 klinische Studien, fünf davon – SURPASS-1 bis SURPASS-5 sind globale Zulassungsstudien. In den Studien wurde Tirzepatid in Monotherapie oder in Kombinationen mit anderen Medikamenten getestet. Seit September 2022 ist Tirzepatid in der EU zur Therapie von Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen zugelassen.
SURPASS-1-Studie
- Teilnehmende bisher ohne Therapie
- HbA1c sinkt von 8 auf 6 %
- Gewichtsabnahme: 6 bis 10 kg in 40 Wochen
SURPASS-2-Studie
- Vergleich Tirzepatid mit Metformin/Semaglutid
- stärkere HbA1c-Senkung und höhere Gewichtsabnahme unter Tirzepatid
SURPASS-3-Studie
- Vergleich Tirzepatid mit Insulin degludec
- Überlegenheit von Tirzepatid bei HbA1c-Senkung und Gewichtsabnahme
SURPASS-4-Studie
- Teilnehmende mit Typ-2-Diabetes und CV-Risiko
- erste Hinweise auf Senkung des kardiovaskulären Risikos durch Tirzepatid
SURPASS-5-Studie
- Vergleich von Tirzepatid mit Placebo
- stärkere HbA1c-Senkung und höhere Gewichtsabnahme mit Tirzepatid
In der SURPASS-3-Studie wurden die drei Tirzepatid-Dosierung bei Menschen mit Typ-2-Diabetes (unter Metformin ± SGLT2-Hemmer) mit Insulin degludec verglichen. Auch hier erwies sich Tirzepatid hinsichtlich der HbA1c-Senkung als überlegen und die Patient*innen nahmen deutlich an Gewicht ab. Unter Insulin nahmen die Teilnehmenden dagegen im Mittel etwa 2 kg zu. „Bei täglich 50 IE Insulingabe wird das im Verlauf der Zeit aber eher mehr werden“, meinte Dr. Dahl.
In die SURPASS-4-Studie wurden Menschen mit Typ-2-Diabetes und bereits bestehender kardiovaskulärer Vorerkrankung eingeschlossen. Verglichen wurde Tirzepatid mit Insulin glargin. Hier deutete sich erstmals auch an, dass Tirzepatid das kardiovaskuläre Risiko senken könnte.
In der SURPASS-5-Studie erhielten die Teilnehmenden Tirzepatid als Add-on zur Therapie mit Metformin und Insulin glargin – auch hier zeigt sich eine deutlich stärkere HbA1c-Senkung und Gewichtsabnahme im Vergleich zu Placebo.
Potenzial von Tirzepatid wird weiter getestet
Unter dem Strich zeigte sich somit in allen Studien eine deutlich verbesserte Blutzuckerkontrolle bei gleichzeitiger überlegener Gewichtsabnahme und allen Tirzepatid-Dosierungen, sagte der Diabetologe, „egal, ob es zu einer vorbestehenden oralen oder Insulintherapie dazugegeben wird“. Hauptnebenwirkungen unter Tirzepatid waren Übelkeit und Völlegefühl, die zumeist aber nur anfangs auftraten und selten zum Studienabbruch führten.
Auch hinsichtlich Leber- und Nierenfunktion könnten die Patient*innen von Tirzepatid profitieren. In Teilstudien wurde eine Reduktion des Leberfettgehalts sowie eine Verringerung der Albuminurie und eine Verlangsamung des eGFR-Abfalls gezeigt. Auch bei den Lipidprofilen zeigte sich eine deutliche Verbesserung.
Zurzeit wird Tirzepatid auch bei Menschen mit Adipositas ohne Diabetes getestet – aber auch bei anderen Erkrankungen wie nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH), obstruktive Schlafapnoe oder Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF).