Hyperglykämien Hoher Blutzucker ist gefährlicher als niedriger
Die Variabilität der Nüchternglukose ist unabhängig vom Vorhandensein eines Diabetes mellitus und korreliert mit einer Arterienverkalkung 20 oder 25 Jahre später, wie Professor Dr. Tadej Battelino von der Universität Ljubljana ausführte. Außerdem konnte bei stoffwechselgesunden Menschen eine Assoziation des geschätzten HbA1c-Werts (innerhalb des Normalbereichs) mit dem Risiko für eine koronare Herzkrankheit gezeigt werden.
Zu viel Glukose ist nicht nur Gift für das kardiovaskuläre System, es schadet auch dem Gehirn. Eine akute Hyperglykämie hat in einer Clamp-Studie bei jungen Patienten mit Typ-1-Diabetes starke negative Effekte auf das Arbeitsgedächtnis (visuell-räumlicher Notizblock) gezeigt. Auch langfristig ist die Hyperglykämie mit kognitiven Einbußen und Hirnschädigung assoziiert.
Mit dem Grenzwert < 70 mg/dl etwas lockerer umgehen?
Vergleiche der CGM-Daten von Menschen mit Diabetes und denen Stoffwechselgesunder belegen zudem, dass auch gesunde Kinder und Erwachsene über bis zu 4 % der Zeit im Blutzuckerprofil Werte unter 70mg/dl aufweisen, gelegentlich sogar Hypoglykämiephasen (< 54 mg/dl), aber niemals eine Hyperglykämie (> 180 mg/dl).
Die verschiedenen Erkenntnisse lassen sich laut Prof. Battelino auch für das Krankheitsmanagement nutzen. Insgesamt verbessert sich durch das CGM die Versorgung der Patienten deutlich. Es wäre zu erwägen, mit dem Grenzwert < 70 mg/dl etwas lockerer umzugehen. Zudem ist es möglich, sich über die kontinuierliche Messung grundsätzlich stärker auf Hyperglykämien der Patienten zu fokussieren. Damit ließen sich eventuell auch Langzeitkomplikationen besser beeinflussen.
Anhand der Glukosevariabilität lässt sich auch ein Prädiabetes früher erkennen, doch es fehlt bisher an standardisierten Cut-off-Werten. Diese würden derzeit in einem Konsensus erarbeitet, erläuterte Prof. Battelino.
Laut Dr. Ingrid Schütz-Fuhrmann, Klinik Hietzing, Wien, eignet sich das CGM hervorragend, um den Behandlungsplan für Diabetespatienten zu personalisieren. Eine große Chance dieser Methode sieht Dr. Schütz-Fuhrmann auch bei Typ-2-Diabetikern vor allem in der „intrinsischen Motivation“. Das heißt, der Spiegel, den der Glukoseverlauf dem Patienten vorhält, führt auch zur positiven Verhaltensveränderung. Und dies zieht eine Verbesserung der glykämischen Kontrolle und des Gewichts nach sich.
Mit der kontinuierlichen Glukosemessung in der interstitiellen Flüssigkeit als Ersatz für die traditionelle Blutzuckerbestimmung konnten in klinischen Studien Hypoglykämien bei Typ-2-Diabetikern signifikant reduziert werden. Die glykämische Variabilität ließ sich verringern und die Lebensqualität verbessern. Real-World-Daten haben dies bestätigt und auch eine Abnahme des HbA1c-Werts im Verlauf gezeigt. Hinweise gibt es auch darauf, dass akute Komplikationen, die zu Hospitalisationen führen, vermieden werden können.
Im Idealfall wäre der Sensor direkt an eine Pumpe gekoppelt (Closed-Loop-System). Doch wie sieht es mit Pumpen für die Typ-2-Diabetiker aus? Die wegweisende Evidenz zur Pumpentherapie bei Typ 2 stammt aus der OpT2mise-Studie, in der insulinpflichtige adipöse Patienten mit Typ-2-Diabetes zunächst eine Therapieintensivierung durchliefen und dann für eine Pumpentherapie oder eine Fortsetzung der mehrmals täglichen Injektionen randomisiert wurden.
Closed-Loop-System lohnt sich bei einem HbA1c > 8 %
Die Pumpentherapie zeigte einen klaren Vorteil bezüglich des HbA1c-Werts bei einer deutlichen Reduktion des Insulinbedarfs. Das Körpergewicht unterschied sich zwischen beiden Gruppen nicht. Weitere Studien haben die Effektivität der Pumpentherapie bestätigt. Am meisten profitieren Menschen mit der schlechtesten glykämischen Kontrolle und den höchsten Insulindosen. Unter einem HbA1c-Wert von 8 % sind die Vorteile der Pumpentherapie allerdings gering.
Die Vergleichsstudien stammen jedoch alle aus der Zeit, bevor GLP1-Agonisten und SGLT2-Inhibitoren zur Verfügung standen. Unklar ist, ob bei Kombination mit diesen neuen Medikamenten die Intensivierung der Insulintherapie mit einer Pumpe einen Zusatznutzen gegenüber der Mehrfachinjektionstherapie bringt. Leitliniengerecht ist die Pumpentherapie bisher für Typ-2-Diabetiker nicht.
Insgesamt bleibe die Evidenz zum Einsatz von verschiedenen Technologien bei Typ-2-Diabetes durch mehrere Faktoren limitiert: komplexe, schlecht vergleichbare Ausgangssituationen der Patienten, offenes Studiendesign, Finanzierung durch die Hersteller und kurze Studiendauer von maximal einem Jahr. Dr. Schütz-Fuhrmann wünschte sich, dass hier noch mehr Registerdaten erhoben werden, um die Evidenz auszubauen.
Den personalisierten oder situationsbezogenen Einsatz von Pumpen und Sensoren sieht die Expertin jedoch als gerechtfertigt an. Wie erfolgreich Diabetestechnologien angewendet werden, liegt allerdings in der Hand der Anwender. Gute Schulung und Information vorausgesetzt, bieten diese Technologien Patienten ein Plus an Sicherheit in ihrem Alltag.
Quelle: 55. Kongress der DDG*
* Deutsche Diabetes Gesellschaft; Online-Veranstaltung