Hart am Limit Ischämischer Priapismus ist ein Notfall

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Manche Männer leiden wiederholt an kürzeren schmerzhaften Penisversteifungen. Manche Männer leiden wiederholt an kürzeren schmerzhaften Penisversteifungen. © shchus – stock.adobe.com

Berichtet ein Patient über eine Dauererektion, sollten die Alarmglocken klingeln. Es könnte eine Ischämie des Schwellkörpers vorliegen, die unbehandelt zu irreversiblen Schäden führt.

Versteift sich der Penis unabhängig von sexueller Stimulation länger als vier Stunden, liegt ein Priapismus vor – eine zwar seltene, aber potenziell folgenschwere Erkrankung. Pro Jahr geht man von 0,3−1 Betroffenen pro 100.000 Männern aus. Eine Blockade des venösen Rückstroms lässt die Schwellkörper komplett rigide werden und verursacht starke Schmerzen. Die Glans penis hingegen bleibt weich. Mit der Zeit entsteht ein dem Kompartmentsyndrom ähnlicher Zustand. Dieser sogenannte ischämische oder Low-flow-Priapismus stellt einen Notfall dar. Bleibt der hohe Druck bestehen, nekrotisiert die Muskulatur des Corpus cavernosum innerhalb von 48 Stunden.

Die Ursache der venösen Stauung lässt sich im Einzelfall meist nicht finden. Als mögliche Risikofaktoren sind jedoch bekannt:

  • urogenitale Neoplasien
  • Nebenwirkungen von Medikamenten (z. B. Antipsychotika)
  • Stoffwechselerkrankungen (z. B. Gicht)
  • Infektionen (z. B. Malaria)
  • hämatologische Erkrankungen

Die Sichelzellenanämie etwa ist der häufigste Grund für einen Priapismus im Kindesalter.
Diagnostisch wegweisend ist die Analyse einer Blutprobe aus dem Corpus cavernosum: Für einen ischämischen Typ sprechen ein verminderter Sauerstoff- und erhöhter Kohlendioxidpartialdruck. Duplexsonografisch zeigt sich ein kaum oder nicht mehr vorhandener Bluteinstrom in den kavernosalen Arterien.

Nach lokaler Schmerztherapie die Schwellkörper punktieren

Um den Druck im Gewebe zu verringern, sollte rasch eine lokale Schmerztherapie und anschließend eine Punktion der Schwellkörper erfolgen. Führt die Drainage nicht zur baldigen Abschwellung, kann die (mehrfache) Injektion von Sympathomimetika wie Phenylephrin weiterhelfen. Zu beachten sind hierbei insbesondere bei vorerkrankten Personen mögliche kardiovaskuläre Komplikationen. In etwa 20 % der Fälle versagt auch diese Therapie. Dann stehen verschiedene chirurgische Verfahren zur Wahl, mit denen sich ein Shunt herstellen lässt. Hält der Priapismus länger als zwei Tage an, lässt sich per MRT das Ausmaß der Gewebsnekrose abschätzen. Je nach Ergebnis ist eine Penisprothese die einzige verbleibende Option.

Manche Männer leiden wiederholt an kürzeren schmerzhaften Penisversteifungen. Jede Episode dieses intermittierenden Priapismus muss per Punktion und Injektion behandelt werden, um eine länger andauernde Ischämie zu verhindern. Paradoxerweise kann bei dieser Form des Priapismus ein Phosphodiesterase-5-Hemmer günstig wirken. Ansonsten stehen diese Medikamente in Verdacht, bei bestehenden Risikofaktoren einen Priapismus zu verstärken.

Etwa 5 % der Priapismen sind dem nicht-ischämischen bzw. High-flow-Typ zuzuordnen. In diesen Fällen löst ein ungebremster arterieller Zustrom in die Schwellkörper eine meist inkomplette und schmerzlose Dauererektion aus. Die Ursache liegt in einer Fistel zwischen einer Arterie und den Gefäßlakunen. Das meist zugrunde liegende Trauma liegt oft bereits mehrere Wochen zurück. Diagnostisch eignen sich eine Blutgasanalyse sowie die Duplexsonografie. Auch wenn es sich nicht um einen Notfall handelt, sollte die Fistel rasch verschlossen werden, z. B. mittels Embolisation. Eine OP sollte erst bei Misserfolg stattfinden, da sie zur erektilen Dysfunktion führen kann.

Quelle: Rosellen J et al. Urologie 2024; DOI: 10.1007/s00120-024-02338-y