Lungenembolie Katheter überholt Lyse

Autor: Dr. Andrea Wülker

 Neue kathetergestützte Verfahren können die Rechtsherzbelastung reduzieren. Neue kathetergestützte Verfahren können die Rechtsherzbelastung reduzieren. © samunella – stock.adobe.com

Die Therapieoptionen bei akuter Lungenembolie werden immer vielfältiger. Neuere kathetergestütze Techniken zur Rekanalisation gewinnen besonders bei Hochrisikopatienten an Bedeutung. Sie behaupten sich im Vergleich zum Standardverfahren der systemischen Lysetherapie, das allerdings einige Mankos aufweist.  

Die Prognose der Lungenembolie hängt in erster Linie vom Ausmaß der Rechtsherzbelastung ab. Daher unterscheidet man bei der Lungenembolie vier Risikokategorien, die sich vor allem an der hämodynamischen Situation und am Ausmaß der Rechtsherzbelastung orientieren (s. Kasten). Patienten mit High-risk-Lungenembolie sind hämodynamisch dekompensiert und weisen ohne rekanalisierende Maßnahmen eine hohe Mortalität von über 50 % auf, schreibt Prof. Dr. Wulf Ito vom Herz- und Gefäßzentrum Klinikverbund Allgäu, Immenstadt. Intermediate-high-risk-Patienten dekompensieren hämodynamisch häufig und haben eine Mortalität von etwa 30 %, wenn man nichts tut. Für High-risk-Patienten empfehlen Leitlinien daher rekanalisierende Maßnahmen, für Intermediate-high-risk-Patienten sollten solche Maßnahmen erwogen werden.

Vier Risikokategorien der Lungenembolie

  • High-risk: hämodynamisch instabil
  • Intermediate-high-risk: hämodynamisch stabil, mit Zeichen einer Rechtsherzbelastung in der Bildgebung (Echokardiografie, CT) und im Labor (Troponin, proBNP)
  • Intermediate-low-risk: Zeichen einer Rechtsherzbelastung – entweder in der Bildgebung oder im Labor und/oder sPESI-Score > 1
  • Low-risk: hämodynamisch stabil, ohne Zeichen der Rechtsherzbelastung

Als Standardtherapie zur Rekanalisation gilt die systemische Lysetherapie. Aber: Die systemische Lyse kann bei vielen High-risk-Lungenembolien entweder wegen absoluter Kontraindikationen nicht eingesetzt werden oder sie ist aufgrund großer Thrombusmassen nicht effektiv. Auch lässt die Evidenz zur Wirksamkeit dieser Methode hinsichtlich der Mortalität zu wünschen übrig. 

Neben der chirurgischen Thrombektomie haben sich in den letzten Jahren kathetergestützte interventionelle Verfahren etabliert, die die Rechtsherzbelastung reduzieren können. Anders als die chirurgischen Thrombektomie-Verfahren kommen interventionelle Maßnahmen ohne Herz-Lungen-Maschine aus, sie sind rascher verfügbar und sie führen erheblich schneller zur Rekanalisation der Lungenstrombahn und zur Entlastung des rechten Ventrikels.

Inzwischen haben sich laut Prof. Ito insbesondere drei Systeme zur interventionellen Behandlung der Lungenembolie etabliert: die ultraschallassistierte lokale Thrombolyse (EKOS-System), das Thrombus-Aspirationssystem „FlowTriever“ und das sensorgesteuerte Kathetersystem „Penumbra“. Neben Patienten mit High-risk-Lungenembolie eignen sich Patienten mit einer Intermediate-high-risk-Embolie besonders für den Einsatz kathetergestützter Verfahren zur Rekanalisation der Pulmonalarterie. Denn sie weisen zum einen ein erhebliches Risiko der hämodynamischen Dekompensation auf und zum anderen eine hohe Rate an Blutungskomplikationen unter systemischer Lysetherapie. Zu den neuen interventionellen Verfahren laufen derzeit verschiedene randomisierte, kontrollierte Studien.

Da die Behandlungsmöglichkeiten bei akuter Lungenembolie immer komplexer werden, sollte jedes Lungenembolie-Zentrum über ein spezialisiertes interdisziplininäres Behandlungsteam verfügen. Die Mitglieder dieses PERT-Teams (pulmonary embolism response team) erfüllen innerhalb eines strukturierten Behandlungsplans fest zugeteilte Aufgaben nach dem System „Plan-Do-Check-Act“.

Quelle: Ito WD „Interventionelle Therapie der Lungenembolie – aktueller Stand“, Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 679-683; DOI: 10.1055/a-2133-8319 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York