COPD Keine Bronchodilatatoren per Gießkanne!

Autor: Manuela Arand

Die Therapiegruppe schnitt in keinem Endpunkt besser ab. Die Therapiegruppe schnitt in keinem Endpunkt besser ab. © magicmine – stock.adobe.com

Manche Ärzte geben Rauchern und Exrauchern mit pulmonalen Symptomen aber normaler Lungenfunktion fast automatisch Bronchodilatatoren. Mit diesem Reflex sollte allerdings Schluss sein, denn die Patienten haben von der Therapie keinen Nutzen.

Viele symptomatische Raucher erhalten Bronchodilatatoren, obwohl ihre Spirometrie­befunde die COPD-Kriterien nicht erfüllen. Diese Verordnung kann man sich schenken – die Patienten profitieren in keiner Hinsicht. Zu diesem Schluss kommen die Autoren der RETHINC-Studie, deren Ergebnisse Prof. Dr. MeiLan Han, Universität Ann Arbor, vorstellte.

Hohe Symptomlast trotz normaler Lungenfunktion

Den Grundstein für die Arbeit legten vor einigen Jahren Befunde aus
SPIROMICS, denen zufolge Raucher und Exraucher trotz erhaltener Lungenfunktion eine hohe Symptomlast aufweisen (CAT ≥10 Punkte) und ebenso häufig exazerbieren wie Patienten in den GOLD-Stadien 1 und 2. 43 % der Patienten bekamen deshalb von ihren Ärzten Bronchodilatatoren und 23 % sogar inhalative Steroide. Evidenzbasiert ist das nicht, wie Prof. Han anmerkte.

In RETHINC erhielten 535 Teilnehmer, die mindestens zehn Packungsjahre, einen CAT ≥ 10 und einen FEV1-FVC-Quotienten ≥ 0,7 vorweisen konnten, drei Monate lang zweimal täglich entweder eine duale Bronchodilatation mit Indacaterol/Glycopyrronium (Indacaterol/Glycopyrronium ist in den USA für die Zweimalgabe zugelassen, in Europa für die Einmalgabe) oder Placebo. Tatsächlich zeigten sie sich spirometrisch sehr gut in Form mit einer FEV1 um 93 %. Etwa 60 % erfüllten die Definition einer chronischen Bronchtitis. Primärer Endpunkt war die Verbesserung im Saint George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) um mindestens vier Punkte, was als minimale klinisch relevante Differenz gilt. Daneben gab es eine ganze Reihe sekundärer Endpunkte vom Symptomscore CAT über Atemnot und Lungenfunktionsveränderungen bis hin zum Therapieversagen.

Das Resultat lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Außer Spesen nichts gewesen. Die Therapiegruppe schnitt in keinem Endpunkt besser ab. „Wir haben einen erheblichen Placeboeffekt gesehen“, berichtete Prof. Han. Im Schnitt verbesserte sich der SGRQ sowohl in der Verum- als auch in der Placebogruppe um acht bis neun Punkte. Der Anteil der Patienten, die ein Plus von vier Punkten erreichten, lag in beiden Gruppen zwischen 56 % und 59 % (p=0,65). Es gab auch keinen Hinweis, dass irgendeine Subgruppe doch profitiert hätte. Die Lungenfunktion stieg zwar unter dem Verum etwas stärker an, das korrelierte aber in keiner Weise mit der Symptomatik, auch nicht mit der Atemnot.

„Wir haben wirklich intensiv nach irgendeinem Signal für einen nützlichen Effekt gesucht, alle Subgruppen und Unterdomänen der Scores geprüft“, betonte die Kollegin. „Ich wäre froh, es wäre anders, es würde unser aller Leben so viel einfacher machen.“

Verordnungen kritisch überprüfen – ein Interview mit Prof. Dr. Claus Vogelmeier (Klinik für Innere Medizin Universitätsklinikum Marburg)

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die RETHINC-Studie so gründlich gescheitert ist?

Die Idee war ja, dass hinter den Symptomen der Raucher Verengungen der kleinen Atemwege stehen, die sich in der Spirometrie nicht abbilden, aber durch einen dualen Bronchodilatator behandelbar sind. Diese Grundannahme war offenbar falsch. Es könnte sein, dass eine Bronchitis und eine Sekretproblematik dahinterstecken, die wesentlich schlechter auf Bronchodilatatoren ansprechen. Aber eine wirklich schlüssige Erklärung, warum man gar nichts gesehen hat, gibt es momentan nicht.

Ärzte verordnen solchen Patienten offenbar sehr häufig Bronchodilatatoren. Muss man diese Praxis jetzt infrage stellen?

Die Idee, dass man einem (Ex-)Raucher, der Symptome zeigt aber eine normale Spirometrie aufweist, mit einem Bronchodilatator hilft, ist falsifiziert worden. Ein Pneumologe wird in Deutschland allerdings diagnostisch mehr machen als eine Spirometrie. Er wird nach Überblähung schauen, nach einem Emphysem. Dann weiß er mehr über die Pathologie und kann gezielter behandeln.

Würden Sie Hausärzten sagen: Bitte Raucher mit Symptomen nicht einfach auf einen Bronchodilatator setzen und hoffen, dass es funktioniert?

Ganz klar. Das unkritische Ver­ordnen von Bronchodilatatoren macht auf der Basis dieser Daten keinen Sinn. Wenn sich der Hausarzt doch zu einem Therapieversuch entschließt, sollte er kontrollieren, ob der Patient davon profitiert hinsichtlich Symptome, Belastbarkeit und Lebensqualität.

RETHINC ist eine wichtige negative Studie

Ihre Vermutung: Bronchodilatatoren sind gar nicht in der Lage, die durch Sputumexzess und Wandverdickung der großen Atemwege getriebene Symptomatik zu beeinflussen.

„RETHINC ist eine wichtige negative Studie“, kommentierte Prof.  Dr. Dave Singh, Universität Birmingham. Aus seiner Sicht hat die Zunahme der FEV1 um 50 ml und der inspiratorischen Kapazität um 100 ml bei dieser Art von Patienten keine Relevanz. Es dürfte sich lohnen, symptomatische Raucher künftig einer Spirometrie zu unterziehen, bevor man ihnen eine medikamentöse Therapie angedeihen lässt.

Kongressbericht: European Respiratoy Society – ERS International Congress 2022 BARCELONA