Akute Exazerbation neu definiert Diagnose und Therapieplanung bei COPD soll auf solideren Füße stehen
Genau betrachtet grenzen die bisher gebräuchlichen Definitionen der akuten COPD- Exazerbation (AECOPD) ans Absurde. So heißt es zum Beispiel im GOLD-Report1, bei der AECOPD handele es sich um eine akute Verschlechterung der Symptome, die zu einer zusätzlichen Therapie geführt hat. Wie welche Symptome objektiviert werden sollen, wird dabei ebenso wenig ausgeführt wie das Ausmaß und der Verlauf der Verschlechterung.
Zudem fehlen valide Kriterien für den Schweregrad. Er wird ebenfalls erst im Nachhinein anhand der erfolgten Behandlung festgelegt. Die Gabe von kurz wirksamen Bronchodilatatoren spricht danach für eine leichte Exazerbation, die Applikation von Antibiotika und/oder systemischen Steroiden für eine moderate. Musste ein Patient in die Notaufnahme oder stationär aufgenommen werden, spricht dies für eine schwere Exazerbation.
Die ganze Definition krankt daran, dass die Diagnose post hoc anhand von ärztlicher und/oder Patienteneinschätzung fällt. Bedenkt man, dass die Exazerbationsrate immerhin die Entscheidung pro oder kontra ICS-haltige Dauertherapie triggert, greift dies alles zu kurz. Die Nationale VersorgungsLeitlinie COPD2 beschränkt sich übrigens darauf, eine strukturierte Erfassung und Dokumentation von Exazerbationen zu fordern, schweigt sich aber über Definition und Methoden aus. Das Kapitel Exazerbation harrt weiter der Bearbeitung.
Infektionen und Umweltnoxen triggern Inflammation
Eine internationale Expertengruppe um Prof. Dr. Bartolome Celli von der Harvard Medical School hat nun einen Vorschlag für eine neue evidenzgestützte Definition der AECOPD vorgelegt.3 Sie soll eine akkurate, praktikable und objektive Diagnose erlauben, eine saubere Klärung des Schweregrades ermöglichen und den Arzt in die Lage versetzen, präzise Therapieentscheidungen zu treffen. Das Konzept besagt, dass der AECOPD ein Ausbruch von Atemwegsinflammation zugrunde liegt, getriggert durch Infektion oder Umweltnoxen. Die Folge sind Steigerung des Atemwegswiderstands und Tachypnoe, was die Überblähung verstärkt, die Atemmuskulatur ermüdet, die Dyspnoe verstärkt und zu Hypoxämie mit oder ohne Hyperkapnie führt. Aus dieser Vorstellung leitet sich die neue Definition ab (s. Kasten).
Die Kriterien der Experten für die COPD-Exazerbation
Mit sechs Parametern den Schweregrad ermitteln
Erstmals hat die Autorengruppe, an der auch der Pneumologe Prof. Dr. Claus Vogelmeier, Universitätsklinik Marburg, beteiligt ist, einen Zeitrahmen eingeführt. Dieser fußt auf der Erkenntnis, dass ab Symptombeginn gewöhnlich bis zu fünf, maximal aber 14 Tage vergehen, bis die Exazerbation voll ausgeprägt ist. Wie lange es dann bis zum Ende der akuten Episode dauert, hängt vom Schweregrad ab und lässt sich weniger eindeutig bestimmen. Das ist für die Definition aber auch nicht notwendig. Die bislang insuffizienten Kriterien, um den Schweregrad der AECOPD zum Zeitpunkt der Diagnose zu bestimmen, waren den Experten ein Dorn im Auge – nicht nur weil klinische Entscheidungen dadurch erschwert sind, sondern auch eine sinnvolle Planung von Studiendesigns und Endpunkten. Sie schlagen vor, weiterhin die drei Schweregrade leicht, moderat und schwer zu unterscheiden und dafür die sechs objektiv messbaren Parameter Dyspnoe, Sauerstoffsättigung, Atem- und Herzfrequenz, Serum-CRP sowie in ausgewählten Fällen arterielle Blutgase heranzuziehen (siehe Tabelle).Schweregrade der akuten COPD-Exazerbation | |||
---|---|---|---|
leicht | moderat | schwer | |
Dyspnoe (VAS*) | < 5 | ≥ 5 | wie bei moderater AECOPD |
Atemfrequenz | < 24/min | ≥ 24/min | |
Herzfrequenz | < 95/min | ≥ 95/min | |
Sauerstoffsättigung in Ruhe bei Raumluft oder üblicher Sauerstoffgabe | ≥ 92 % plus Abfall um ≤ 3 %** | < 92 % und/oder Abfall um > 3 %** | |
CRP | < 10 mg/l | ≥10 mg/l | |
Blutgase | nicht erforderlich | Hypoxämie oder Hyperkapnie OHNE Azidose (pH > 7,35) | Hyperkapnie (PaCO2 > 45 mmHg) und Azidose (pH < 7,35) |
* Visuelle Analogskala, ** falls bekannt |
Empfehlungen zur Diagnostik
- gründliche klinische Untersuchung im Hinblick auf COPD, respiratorische sowie nicht-respiratorische Begleiterkrankungen unter Berücksichtigung möglicher anderer Ursachen der Symptome (vor allem Pneumonie, Herzinsuffizienz und Lungenembolie)
- Erfassen von Symptomen, Dyspnoe- und Hustenschwere sowie von klinischen Zeichen wie Tachypnoe, Tachykardie, vermehrte Atemarbeit, Sputumvolumen und -farbe
- Bestimmen des Schweregrades mithilfe von Pulsoximetrie, Labor, CRP-Messung, arterieller Blutgasanalyse
- Ursachenforschung: viral, bakteriell, umweltbedingt, sonstige
* Transition Dyspnea Index
** Exacerbations of Chronic Pulmonary Disease Tool
1. www.goldcopd.org, Version 2022
2. www.leitlinien.de/themen/copd/2-auflage
3. Celli BR et al. Am J Respir Crit Care Med 2021; 204: 1251-1258; DOI: 10.1164/rccm.202108-1819PP