Wie bewerten Sie die Studie von Couturaud et al.? Welche möglichen Konsequenzen ergeben sich aus ihr?
Prof. Vogelmeier: Die Arbeit hat in meinen Augen den falschen Titel. Die französischen Kollegen sind primär dem Zusammenhang von COPD und Lungenembolie nachgegangen, obwohl wir bereits seit mehr als zehn Jahren wissen, dass
COPD-Kranke vermehrt Lungenembolien entwickeln. Was aber beeindruckt, ist die Größe der Studie und dass die Kollegen die Patienten sehr gründlich untersucht und tatsächlich eine ganze Palette an Diagnosen gefunden haben.
Zugegeben, das hat auch mit der Studienpopulation zu tun. Es waren Menschen eingeschlossen, die noch eine gute Lungenfunktion hatten; die FEV1 lag bei knapp 60 %. Das sind nicht die COPD-Patienten, die man normalerweise stationär aufnimmt. Die Ergebnisse lassen sich deshalb nicht generalisieren. Aber die Botschaft lautet:
Was wie eine COPD-Exazerbation aussieht, muss nicht unbedingt eine sein. Für die Praxis folgt daraus die Frage: Was muss ich machen, um sicher zu sein, dass jemand eine Exazerbation hat? Das ist keineswegs trivial.
Die Definition der akuten Exazerbation ist nach wie vor flau. GOLD sagt: Akutverschlechterung, die eine Intensivierung der Medikation veranlasst. Gibt es Ansätze, den Begriff schärfer zu fassen?
Was wir bisher haben, ist keine Definition der Exazerbation, sondern eine Umschreibung, noch dazu eine
unkonkrete und unspezifische. Dem Patienten geht es schlechter, aber damit ist noch nicht gesagt, warum. Den Schweregrad macht man nicht daran fest, wie es dem Patienten geht, sondern was der Arzt tut. Das ist nicht automatisch deckungsgleich und hängt auch von länderspezifischen Kriterien ab. So wird der Begriff „schwere Exazerbation“ schwammig. Ein internationales Expertengremium, bei dem ich mitarbeite, bemüht sich derzeit, eine
bessere Definition zu entwerfen. Wir werden dort u.a. Parameter aufführen, die gemessen und erfüllt sein sollten, um von einer Exazerbation zu sprechen, und andere Parameter, die eine Exazerbation unwahrscheinlich machen.
Brauchen wir eine Phänotypisierung von Exazerbationen?
Das ist ein Gebot der Stunde. Bevor man an eine Exazerbation denken kann, müssen eine Reihe wichtiger Differenzialdiagnosen ausgeschlossen sein. Außerdem möchte man im Hinblick auf die Therapie natürlich wissen, um was für eine Exazerbation es sich handelt. Es gibt bereits Studienergebnisse, die andeuten, dass das
erhöhte CRP ein guter Indikator für die Einleitung einer antibiotischen Therapie sein könnte, und erhöhte Eosinophile im Blut ein Biomarker, um systemische Steroide einzusetzen. Wir suchen also nach spezifischen Charakteristika, um Therapiemodalitäten zu definieren.
Viele Patienten mit COPD und Exazerbationsverdacht landen primär beim Hausarzt. Was kann der tun?
Hausärzte sind meiner Meinung nach von entscheidender Bedeutung, um die Situation verbessern zu können. Wenn wir es nicht schaffen, das Konzept für die niedergelassenen Kollegen nachvollziehbar und einfach anwendbar zu machen, wird sich nicht viel ändern. Das heißt auch, dass wir
mehr zuverlässige Point-of-care-Tests brauchen, die rasch eine Entscheidung über das weitere Prozedere ermöglichen. Es gibt zum Glück immer mehr Schnelltestverfahren – unter anderem für CRP, D-Dimere, Troponin I und BNP. Damit lassen sich innerhalb von Minuten einige Differenzialdiagnosen ausschließen.
Zu welchen Maßnahmen raten Sie bei einem Patienten mit Exazerbationsverdacht?
Als erstes sollte man die wichtigsten Differenzialdiagnosen ausschließen: kardiale Probleme, Lungenembolie und Pneumonie. Wenn man sich sicher ist, dass es sich um eine Exazerbation handelt, sollte geprüft werden, ob ein
Antibiotikum indiziert ist. Derzeit lässt sich das nur klinisch anhand der Färbung des Sputums entscheiden. Aber wie erwähnt – Besserung ist in Sicht.
Interview: Manuela Arand