Arthrose Knie- und Hüftgelenk (ver)schonen

Autor: Dr. Nils Bröckelmann

Die Röntgenaufnahme ist das bildgebende Verfahren erster Wahl für die initiale Diagnose einer Arthrose. Darin sind die typischen Stadien 2 bis 4 der Erkrankung gut zu erkennen. Die Röntgenaufnahme ist das bildgebende Verfahren erster Wahl für die initiale Diagnose einer Arthrose. Darin sind die typischen Stadien 2 bis 4 der Erkrankung gut zu erkennen. © Flechtenmacher J et al. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 94-101 © Deutscher Ärzteverlag, Köln

Viel zu oft werden arthrotische Knie- oder Hüftgelenke ersetzt, bevor die konservative Therapie ausgeschöpft ist. Dabei gibt es von Bewegung bis Akupunktur etliche evidenzbasierte Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden. Begleitend kommen Medikamente dazu – oral, topisch oder intraartikulär.

Aus Zahlen der Krankenkassen lässt sich einiges über die Versorgungsrealität der Arthrose in Deutschland ableiten. Die meisten Patienten therapiert man konservativ. Aber es wird auch häufig operiert: Eine Hüft-Totalendoprothese erhielten im Jahr nach Erstdiagnose immerhin 13 % der Patienten, innerhalb von acht Jahren 25 %. Drei Viertel der Patienten sind im letzten Jahr vor der OP nicht in fachärztlicher Behandlung. Bei der Knie-Totalendoprothese erhalten 43 % der Patienten im Jahr vor der OP keine Physiotherapie. Vor dem Ersatz einer Hüfte oder eines Knies werden offenbar also die konservativen Therapieoptionen oft nicht hinreichend ausgeschöpft, schreiben Dr. Johannes Flechtenmacher vom Ortho-Zentrum in Karlsruhe und Kollegen. 

Bei der Pharmakotherapie auf Komorbiditäten achten

Goldstandard in der konservativen Arthrosetherapie ist die Kombination von nicht-medikamentöser und medikamentöser Therapie. Dabei stehen für ersteres vielfältige Maßnahmen mit guter Wirksamkeit zur Verfügung (siehe Kasten). Bei der Pharmakotherapie gilt es stets, Komorbiditäten im Blick zu behalten, hinsichtlich der typischen Patientenklientel vor allem die Leber und die Nierenfunktion.

Zum Start des Therapiealgorithmus – beispielhaft dargestellt für die Gonarthrose – probiert man topische NSAR aus. Bei fehlender Symptomkontrolle steigt man auf eine systemische Therapie um, falls NSAR nicht kontraindiziert sind. Bei kardiovaskulärem Risiko raten die Autoren, falls möglich, zu Naproxen. Eine Dauerlösung sind NSAR allerdings nicht: Die analgetische Wirkung erreicht nach etwa zwei Wochen ihr Maximum und nimmt nach ca. acht Wochen wieder ab. 

Nicht-medikamentös und konservativ behandeln

Eine nachgewiesene Evidenz bei der Behandlung der Arthrose gibt es für folgende Verfahren:

  • Patientenedukation mit eventueller Adipositas-Beratung
  • Physiotherapie und physikalische Therapie gegen vorzeitigen Muskelschwund, für mehr Koordination und Muskelkraft
  • Manuelle Medizin für eine Änderung des Muskeltonus und Beeinflussung der Reizschwelle
  • Bewegungstherapie, z.B. ein dreimal wöchentliches Training
  • Kälteanwendungen in entzündlichen Intervallen
  • Wärmetherapie bei chronischen Schmerzen zur Verbesserung der Durchblutung und Entspannung der Muskulatur
  • Elektrotherapie zur Veränderung der Schmerzweiterleitung zum Gehirn
  • Akupunktur bei Gonarthrose

Sind NSAR nicht ausreichend wirksam, kontraindiziert oder betrachtet man ihren Einsatz aufgrund von Komorbiditäten als zu riskant, ist die nächste Therapiestufe die intraartikuläre Injektion von Glukokortikoiden oder Hyaluronsäure. Glukokortikoide wirken bis zu vier Wochen lang schmerzlindernd, einem Cochrane-Review zufolge bessern sie aber weder Gehstrecke noch Steifigkeit. Dafür können sie die Knorpeldegeneration begünstigen, weshalb sie nur einmalig und möglichst niedrig (aber wirksam) dosiert angewendet werden sollten. Hyaluronsäure scheint den vorliegenden Daten zufolge dagegen eine nebenwirkungsarme, effektive Option zu sein – vor allem für Patienten, die NSAR nicht vertragen.

Opioide zur Behandlung der Arthrose sind umstritten. Sie sind zwar gastrointestinal besser verträglich als NSAR, aber nicht effektiver. Aufgrund zentralnervöser Nebenwirkungen wie z.B. der erhöhten Sturzneigung sollten sie nur zeitlich begrenzt angewendet werden, zum Beispiel bei therapierefraktären Schmerzen bis zur OP. Auch bei nicht-operablen Patienten kommt man teils nicht um Opioide herum. 

Bei einer Reihe von Therapien empfehlen die Verfasser Zurückhaltung. So gibt es für die Platelet-rich-plasma-Injektionen ins Gelenk zwar Hinweise auf eine Wirksamkeit, zur sicheren Beurteilung des Stellenwertes bedarf es allerdings weiterer Studien. Die intraartikuläre Gabe von Lokalanästhetika gilt auch aufgrund möglicherweise knorpeltoxischer Effekte als kritisch. Weiterhin raten die Autoren von Paracetamol ab, da dieses keine gute Wirksamkeit aufweist. Ähnlich sieht es bei der oralen Glucosamingabe aus. Für die zahlreich angebotenen Phytopharmaka gibt es aktuell keine ausreichende Datengrundlage.
Ein im klinischen Alltag häufig genutztes Medikament ist Metamizol. Dieses ist allerdings für die Arthrose in der Regel nicht indiziert, auch aufgrund der möglichen Agranulozytose. Greift man dennoch zu Metamizol, empfehlen die Autoren eine gute Aufklärung des Patienten sowie eine sorgfältige Dokumentation der Verordnungsgründe.

Quelle: Flechtenmacher J et al. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 94-101 © Deutscher Ärzteverlag, Köln
Dr. med. Johannes Flechtenmacher, Ortho-Zentrum – Orthopädische Gemeinschaftspraxis am Ludwigsplatz, Waldstraße 67, 76133 Karlsruhe, www.ortho-zentrum.de