Komplizierte Beckenringsprengung bei der Entbindung
Bedingt durch die Wirkung der Schwangerschaftshormone weitet sich die Symphyse in Vorbereitung auf die mechanischen Geburtsbelastungen um bis zu 7 mm. Dieser physiologische Prozess verläuft in der Regel asymptomatisch und bildet sich postpartal wieder zurück. Dehnt sich das vordere Becken um mehr als 2,5 cm auf, besteht die Gefahr einer Sprengung des vorderen und – in seltenen Fällen – auch des hinteren Beckenrings, erläutern Dr. Alonja Reiter von der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Kollegen.
Nach einem Monat immer noch starke Schmerzen
Sie berichten den Fall einer 38-jährigen Mutter, die im Rahmen der Vaginalgeburt ihres rund 3500 g schweren Kindes eine traumatische Dislokation der linken Hemipelvis erlitten hatte. Bereits kurz nach der Entbindung waren mittels Beckenübersichtsröntgen im Stehen eine erhebliche Symphysendehiszenz sowie eine linksseitige Iliosakralgelenksprengung diagnostiziert worden. Trotz Kompressionstherapie mit einem Beckengurt litt die Patientin auch einen Monat später noch an ausgeprägten Schmerzen sowie Mobilitätseinschränkungen. Aufgrund der deutlichen Dislokation der linken Hemipelvis und der Gefahr einer bleibenden Behinderung mit Schmerzen entschieden sich Ärzte und Patientin für eine operative Therapie.
Mit einer Platte und sechs Schrauben zusammengeflickt
Nach Ausräumung der Defektnarbe an der Symphyse gelang die offene Reposition und Osteosynthese unter der Verwendung einer Symphysenplatte und sechs kortikalen Schrauben. Eine Manipulation am hinteren Beckenring war nicht notwendig. Zehn Wochen später hatten sich die Schmerzen deutlich gebessert und die Patientin war ohne Hilfsmittel mobil und voll belastbar. Lediglich beim Heben und bei längerem Gehen traten noch Beschwerden auf.
Während bei geringfügigen Dehnungen ein konservatives Vorgehen gerechtfertigt ist, sollten instabile Dehiszenzen angesichts drohender chronischer Schmerzen und Verschleißerscheinungen des Beckenrings operativ versorgt werden, empfehlen die Autoren. Ferner weisen sie darauf hin, dass das Ausmaß der Symphysenweitung primär mittels Standardröntgen und nicht mittels Schnittbildgebung objektiviert werden sollte. Der Grund: Bei den belastungsfreien CT- bzw. MRT-Aufnahmen im Liegen wird die Symphysenweite infolge einer Reposition des gesprengten Beckenrings meist unterschätzt. Die Schnittbildgebung ist allerdings für die Beurteilung der ligamentären Verhältnisse wichtig.
Quelle: Reiter A et al. Hamburger Ärzteblatt 2020; 74: 32-33 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg