Abtreibung per Mausklick: Schwangerschaftsabbruch ohne Arztbesuch?
Seit April 2019 gibt es das Angebot der „Women on Web“ auch in Deutschland. Die Organisation informiert über sichere medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche, Vorbedingungen, Nachbehandlungen, Komplikationen und Kontraindikationen – und stellt ggf. die notwendigen Substanzen zur Verfügung. Solche „telemedizinischen Abtreibungen“ haben sich als sicher erwiesen, mit ähnlichen klinischen Ergebnissen wie die persönliche Behandlung durch einen Arzt.
Aber warum nimmt hierzulande eine Frau diesen Service in Anspruch? Hierzu hat die Arbeitsgruppe um Dr. Kristina Killinger vom Department of Global Public Health am Karolinska-Institut in Stockholm für das Jahr 2019 mehr als 1000 Frauen befragt. Die Wissenschaftlerinnen informierten alle Frauen, die sich an die „Women on Web“ gewandt hatten, dass ein Abbruch auch auf dem konventionellen Weg möglich sei. Im Anschluss fragten sie: „Falls diese Behandlung für Sie nicht infrage kommt: Könnten Sie uns bitte Ihre Gründe schildern?“ Darauf nannten die Patientinnen am häufigsten den Wunsch, den Eingriff geheim zu halten, oder sie gaben an, sich mit einem Abbruch zu Hause wohler zu fühlen als in einer Praxis oder Klinik (jeweils fast die Hälfte der Frauen).
Gründe für selbst durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche | |
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interne Motive | externe Barrieren |
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Interne Motive
Eine der Frauen schrieb: „Für mich ist das die richtige Entscheidung. Ich möchte nicht mit meiner Familie das Für und Wider einer Behandlung diskutieren, die vor allem mich alleine betrifft.“ Andere Schwangere fühlten sich direkt von ihrer Familie oder ihrem Partner bedroht. Das galt insbesondere für Jugendliche unter 18. Eine Betroffene meinte beispielsweise: „Ich lebe und arbeite zusammen mit meinem Partner – ich habe also gar nicht die Möglichkeit, unbemerkt zu einer Beratung zu gehen, und schon gar nicht zu dem Eingriff selbst. Und wenn er es erfährt, wird er mich vermutlich wieder verprügeln.“ Mehr als ein Drittel der Frauen fürchtete die mit einem Schwangerschaftsabbruch einhergehende Stigmatisierung. „Es wäre mir peinlich, über ein so privates Thema mit vielen Menschen zu sprechen, die ich nicht kenne. Ich habe Angst, dass sie mich verurteilen.“ Diese Sorge war vor allem bei Schwangeren in Kleinstädten sowie bei Jugendlichen ein häufig genannter Punkt.Externe Barrieren
Der finanzielle Aspekt war für 30–40 % der Befragten ein Problem. Denn die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nur bei medizinisch oder kriminologisch indizierten Eingriffen, nicht bei sozialer Indikation. Dazu kommen potenzielle Fehlzeiten im Job. Weitere logistische Hindernisse sind u.a.:- Wartezeiten auf Termine
- Entfernung zum Beratungszentrum, zur Arztpraxis oder dem nächsten Klinikum
- Organisation von Kinderbetreuung
Die Rechtslage
- eine dafür staatlich anerkannte Organisation eine Schwangerschaftskonfliktberatung durchgeführt hat und
- zwischen der (schriftlich dokumentierten) Beratung und dem Eingriff durch einen Arzt mindestens drei Tage Bedenkzeit liegen.
Das derzeitige System in Deutschland reformieren
Zwar können sich Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, bei der Bundesärztekammer registrieren lassen – Patientinnen wissen von dieser Liste aber meist nichts. Aus Sicht der Autorinnen bedarf das derzeitige System in Deutschland einer Reform. Nötig seien eine einfachere Versorgung, gezielte Interventionen für besonders vulnerable Gruppen wie Geflüchtete und eine Sensibilisierung der im Gesundheitswesen Beschäftigten für die Probleme dieser Patientinnen, so die Expertinnen. Denn kaum eine Frau entscheidet sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch – diskriminierende Kommentare dazu sind das Letzte, was Betroffene in dieser Lage brauchen.Quelle: Killinger K et al. BMJ Sex Reprod Health 2020; DOI: 10.1136/bmjsrh-2020-200789