Nicht-hormonelle Verhütungsmethoden Kondome, Pessare & Co. auf dem Prüfstand

Autor: Dr. Vera Seifert

Das Messen der Basaltemperatur ist den Leitlinien zufolge als alleinige Verhütungsmethode obsolet. Das Messen der Basaltemperatur ist den Leitlinien zufolge als alleinige Verhütungsmethode obsolet. © Anna Bova – stock.adobe.com

Unter allen Verhütungsmethoden stand die Pille lange Zeit auf Platz 1 der Beliebtheitsskala. Inzwischen sehen viele Frauen die orale Kontrazeption kritischer. Welchen Stellenwert andere Verfahren heute haben und worüber man aufklären sollte, haben Kollegen in einer neuen Leitlinie zusammengefasst.

Ärzte sollten ihr Wissen zu nicht-hormonellen Kontrazeptiva intensivieren, heißt es in der neuen S2k-Leitlinie der deutschen, österreichischen und schweizerischen gynäkologischen Fachgesellschaften. Das Autorenteam betrachtete nicht nur die Sicherheit der einzelnen Optionen, sondern auch Tücken bei der Anwendung und viele weitere Gesichtspunkte, die in der Beratung zu berücksichtigen sind. Die Effektivität einer Methode wurde früher mit dem Pearl-Index angegeben. Dieser benennt die Anzahl der ungewollten Schwangerschaften bei 100 Frauen nach einem Jahr. Heute werden der Life Table für die Gebrauchssicherheit bei üblicher Nutzung inklusive Anwendungsfehlern bzw. die Perfect-Use-Methode für die Methodensicherheit bei fehlerfreier Anwendung benutzt (s. Tabelle).

Effektivität nicht-hormoneller Verhütungsmethoden

 

Frauen mit ungewollter Schwangerschaft im ersten Anwendungsjahr (Angaben in %)

 

Gebrauchssicherheit

Methodensicherheit

Symptothermale Methode (Sensiplan)

1,8–2,3

0,4

Laktationsamenorrhö (erste sechs Monate)

0,45–2,45

0,97–1,5

Coitus interruptus

20

k.A.

Kondom (Männer)

13

2

Kondom (Frauen)

21

5

Diaphragma

12–18

4 bzw. 14

Portiokappe

23

k.A.

Kupfer-IUP

0,1–1

k.A.

Levonorgestrel-IUP

0,06–0,12

k.A.

Sterilisation (Frau)

0,5

0,5

Sterilisation (Mann)

0,15

0,10

Natürliche Familienplanung (NFP)

Diese Methode beruht auf der Beobachtung des Zyklus, meist anhand von Basaltemperatur und Zervixschleim. Damit soll das fertile Fenster bestimmt werden. Die Leitlinienautoren haben nur solche Verfahren berücksichtigt, die in Europa ausreichend verbreitet und akzeptiert sind und für die zudem kontrollierte Studien vorliegen. Die Kalendermethode (z.B. Knaus/Ogino) und die alleinige Temperaturmethode stufen sie als obsolet ein. Genutzt werden sollten nur symptothermale Methoden. Die Autoren nennen explizit Sensiplan®, das eine Schulung der Anwenderinnen durch zertifizierte Berater einschließt. Unter dieser Voraussetzung lässt sich eine sehr hohe Effektivität erzielen. In Risikosituationen (z.B. Einnahme teratogener Medikamente) ist natürliche Familienplanung aber nicht erste Wahl, betonen die Leitlinienautoren. Und wie bei allen anwenderabhängigen Methoden gilt: nicht geeignet bei kognitiven Einschränkungen. Zyklus-Apps oder Zykluscomputer sind in der Regel nicht zur Empfängnisverhütung zugelassen und werden nicht empfohlen.

Laktationsmethode

Die Annahme, wer stillt, könne nicht schwanger werden, ist mit Vorsicht zu genießen. Eine 98%ige Sicherheit besteht nur bis maximal sechs Monate nach der Entbindung, wenn die Frau amenorrhoisch ist und voll stillt. Ob mit einer kontrazeptiven Wirkung auch dann zu rechnen ist, wenn die Milch nicht direkt verfüttert, sondern abgepumpt wird, ist bislang unzureichend untersucht.

Kondom (für Männer)

Für Männer sind Kondome nach wie vor die einzige sichere und reversible nicht-hormonelle Verhütungsmethode. Zudem schützen sie vor sexuell übertragbaren Erkrankungen (STI). Die Nutzung von Kondomen erfordert jedoch eine gute Beratung, so die Überzeugung der Experten. Sie müssen richtig sitzen, damit sie weder verrutschen noch reißen. Anwender sollten auf das CE-Prüfkennzeichen und das Haltbarkeitsdatum achten. Einige der Gelbeschichtungen enthalten Nonoxynol-9, das bei manchen Frauen Harnwegsinfektionen fördert und das Risiko einer Übertragung von STI erhöht. Beschichtete Kondome werden daher nicht empfohlen. Wichtig ist auch, darauf hinzuweisen, dass eine Notfallkontrazeption bei Reißen oder Verrutschen des Kondoms sinnvoll ist.

Ein Problem bei Kondomen besteht darin, dass viele Frauen und Männer (in einer Studie waren es 52 %) sie als Lusttöter ansehen. Dabei spielen die notwendige Unterbrechung des sexuellen Akts und Einschränkungen beim Erleben der sexuellen Vereinigung eine Rolle. Deshalb werden Kondome nicht immer konsequent angewendet.

Diaphragma und Portiokappe

Die Wirkung dieser Barrieremethoden beruht drauf, dass sie vor dem Muttermund liegen und die Wanderung von Spermien in die Zervix verhindern. Das oft gleichzeitig angewandte spermizide oder motilitätshemmende Gel verstärkt den Effekt. Bevorzugt sollte Gel auf Milchsäurebasis verwendet werden. In Deutschland stehen zwei Diaphragma-Modelle zur Verfügung: Caya®contoured diaphragm (Einheitsgröße) und Singa®diaphragm (in sieben Größen). Die einzige noch erhältliche Portiokappe (FemCapTM) muss aus Großbritannien bezogen werden. Die Nutzung aller Produkte verlangt etwas Übung. Anpassung und Anleitung werden empfohlen. Ein Diaphragma darf keine Beschwerden verursachen und nicht dislozieren. Die Portiokappe sollte sich optimalerweise an der Zervix festsaugen. Beide Barrieren dürfen erst sechs Stunden nach dem Geschlechtsverkehr entfernt werden. Die Portiokappe verrutscht beim Koitus deutlich häufiger als das Diaphragma.

Kondom (für Frauen)

Das Frauenkondom besteht aus einer dünnen, mit Gleitmittel befeuchteten Hülle, die in die Vagina eingeführt wird und mit einem Ring auf der Vulva aufliegt. Die Sicherheit ist im Vergleich zum Männerkondom geringer.

Intrauterine Pessare (IUP)

Die Beliebtheit der IUP steigt mit dem Alter. 20 % der Frauen über 40 Jahre nutzen sie. Man unterscheidet hormonfreie kupferfreisetzende von hormonfreisetzenden IUP (Levonorgestrel). Beide Systeme sind sehr effektiv. Ein Arzt setzt sie ein und kontrolliert die Lage in der Folge regelmäßig per Ultraschall. Eine Schwangerschaft muss vor der Einlage sicher ausgeschlossen sein. Kupfer-IUP sollten eine Kupferoberfläche von mindestens 300 mm2 haben. In den ersten Wochen nach Einlage ist das Risiko für aszendierende genitale Infektionen erhöht. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine bakterielle Vaginose oder Candidainfektionen bei IUP-Nutzerinnen leichteres Spiel haben. Die Frauen müssen außerdem aufgeklärt werden über das – sehr geringe – Risiko einer Uterusperforation. Die Gefahr eines Ausstoßens (Expulsion) ist u.a. bei jüngeren Frauen mit starker Regelblutung höher. Nach erfolgter Expulsion ist das Risiko, dass sie sich erneut ereignet, sehr hoch (bis zu 31 %).

Sterilisation

Wer eine Sterilisation anstrebt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit ein sehr sicheres, aber endgültiges Verfahren wählt. Eine Refertilisierung ist zwar möglich, jedoch mit einem neuerlichen Eingriff verbunden und nicht zu 100 % erfolgreich. Bei Frauen erfolgt die Sterilisation meist durch eine operative Laparoskopie in Vollnarkose (Eileiterverschluss). Ein sterilisierender Eingriff bei Männern (Vasektomie) ist weniger invasiv und kann in Lokalanästhesie stattfinden. Sie müssen allerdings wissen, dass frühestens bei entsprechendem Kontrollspermiogramm nach acht Wochen mit der angestrebten Azoospermie zu rechnen ist. 

Im Nachhinein bereuen 2–13 % der Frauen ihre Entscheidung, vor allem wenn sie früh im Leben ohne oder mit nur wenigen Kindern, bei fehlender oder belastender Partnerschaft sowie im Rahmen einer Sectio umgesetzt wurde. Unter den Männern bereuen ca. 6 % die Vasektomie. Die Entscheidung steht oftmals in Zusammenhang mit einer konfliktbeladenen Partnerschaft bzw. dem Drängen einer dominanten Partnerin.

Quelle: S2k-Leitlinie „Nicht hormonelle Empfängnisverhütung“, AWMF-Register-Nr. 015-095, www.awmf.org