Kopfschmerzen auf Augenhöhe Bei Rötung und Einseitigkeit sollte die Ophthalmologie eingeschaltet werden

Schmerzkongress 2024 Autor: Dr. Vera Seifert

Wann sollte bei Kopfschmerzen die Ophthalmologie eingeschaltet werden? Wann sollte bei Kopfschmerzen die Ophthalmologie eingeschaltet werden? © Andrey Popov – stock.adobe.com

Viele Augenerkrankungen sind mit Schmerzen verbunden. Doch nicht immer können die Patientinnen und Patienten ihre Beschwerden eindeutig lokalisieren. Wann sollte man bei Kopfschmerzen primär an die Augen denken?

Im Schnitt werden 50 Schmerzpatientinnen und -patienten pro Monat in augenärztlichen Praxen vorstellig. Dort kommt es aber nur in 22 % der Fälle zu einer Dia­gnose und Therapie. Die übrigen Betroffenen sind letztlich in neurologischen, HNO-ärztlichen oder anderen Fachdisziplinen besser aufgehoben, erklärte Prof. Dr. Nicolas Feltgen­ von der Augenklinik am Universitätsspital Basel. Nicht immer entsprechen die Schmerzen der Schwere der Erkrankung, wie das Beispiel einer 95-jährigen Patientin zeigt, an die er sich erinnerte. Sie hatte sich bei einem Sturz eine Perforation des Auges zugezogen, bei der sich der gesamte Augeninhalt nach außen entleert hatte. Außer Zunähen war nichts mehr zu machen. Schmerzen hatte die Frau jedoch nicht.  

Augenleiden können viele Kopfschmerzarten auslösen

Die International Headache Society klassifiziert Erkrankungen der Augen, die mit Kopfschmerzen einhergehen, in akutes Glaukom, Brechungsfehler, Heterophorie oder Heterotropie (latentes oder manifestes Schielen) sowie entzündliche Augenerkrankungen. Zu den primären Kopfschmerz­ursachen, die als Augenschmerzen interpretiert werden könnten, gehören Spannungskopfschmerzen, Migräne, Medikamentenübergebrauchskopfschmerz und die Trigeminusneuralgie (s. Kasten). Auf sekundäre Kopfschmerzen, denen Augenleiden zugrunde liegen, ging der Referent im Einzelnen ein. Ein genereller Tipp von ihm lautete: Personen mit rotem Auge und einseitig befallenem Auge sind immer ein Fall für die Ophthalmologie.

Kopfschmerzursachen mit Beteiligung der Augen

Primäre Ursachen (92 %)

  • Spannungskopfschmerz (40 %)
  • Migräne (15 %)
  • Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (2 %)
  • Trigemino-autonome Kopfschmerzen
  • Clusterkopfschmerz (0,9 %)
  • Paroxysmale Hemikranie (0,02 %)
  • SUNCT*-Syndrom
  • Trigeminusneuralgie (0,05 %)

Sekundäre Ursachen (8 %)

  • Presbyopie
  • Phorie
  • Oberfläche
  • Uveitis
  • Glaukomanfall
  • Neuritis
  • Pupillenstörung
  • Phlegmone
  • Pseudotumor
  • Arteriitis
  • Intrakranielle Hypertension

* short-lasting unilateral neuralgiform headache attacks with conjunctival injection, tearing, sweating and rhinorrhea

Beschwerden bei Presbyopie, also Alterssichtigkeit, die spätestens ab Ende 50 beginnt, können Brennen oder müde Augen beim Lesen oder Arbeiten am PC sein. Der Augenbefund ist unauffällig. Abhilfe schafft eine Brillenverordnung. 

Bei einer Phorie, also dem latenten Schielen, ist die Schielstellung der Augen so diskret, dass sie kaum auffällt. Die Betroffenen beschreiben ähnliche Beschwerden wie bei Alterssichtigkeit, z. B. dass es anstrengender ist, abends zu lesen. Manche sehen auch zeitweise Doppelbilder. Bei einigen entwickelt sich daraus manifestes Schielen. Aufschluss geben der alternierende Abdecktest und die dia­gnostische Okklusion.

Trockene Augen treten oft bei Personen auf, die viel lesen oder sich häufig in klimatisierten Räumen aufhalten. Die Beschwerden reichen von Brennen bis hin zu stärksten Schmerzen und Blepharospasmus. Man sollte dieses Krankheitsbild ernst nehmen, mahnte Prof. Feltgen. Oft werden die Schmerzen im Tagesverlauf stärker. Manche Patientinnen und Patienten entwickeln Ticks. 

Trockenes Auge topisch behandeln

Der Referent erinnerte sich an einen Patienten mit einer schweren Benetzungsstörung, der nachts seine Bettdecke in den Türschlitz stopfte, damit kein Licht ins Schlafzimmer drang. Geeignete Maßnahmen sind Lokaltherapie und Lidrandpflege.

Die Uveitis gehört zum Symptomkomplex „rotes Auge“ und damit genau wie die drei zuvor genannten Erkrankungen in die Hände der Augenärztin bzw. des Augenarztes. Oft trifft sie Menschen mit einer rheumatologischen Erkrankung. Zur Therapie gehören Immunsuppressiva, Virustatika und Rheumamedikamente.

Der gefürchtete Glaukomanfall ist eigentlich recht selten, erklärte Prof. Feltgen. Er sieht ihn nur zwei- bis dreimal pro Jahr. Diese Betroffenen stellen sich mit einseitig knallrotem Auge, starken Schmerzen und steinhartem Bulbus vor. Oft klagen sie über Übelkeit und Erbrechen. Das Allgemeinbefinden ist stark reduziert. Häufig besteht Weitsichtigkeit, Kurzsichtige entwickeln fast nie einen Glaukomanfall. Es kann  vorkommen, dass die Beschwerden anfangs nur subtil sind und langsam zunehmen. Die Therapie besteht aus Drucksenkung und Iridektomie. Da auch bei dieser Erkrankung oft ein rotes Auge vorkommt, empfiehlt sich die Überweisung in die augen­ärztliche Praxis.

Mit einer Neuritis dagegen ist man in der Neurologie sowie bei Schmerztherapeutinnen und -therapeuten gut aufgehoben. Typisch sind Augenbewegungsschmerzen und eine subakute Visusminderung. In der Regel ist zunächst nur ein Auge betroffen und es besteht ein zentraler Gesichtsfeldausfall. Der Fundus ist häufig zunächst unauffällig.

Horner-Syndrom muss nicht mit Schmerzen einhergehen

Zu den Pupillenstörungen gehört z. B. das Horner-Syndrom mit der bekannten Trias Miosis, Ptosis und Enophthalmus. Schmerzen sind dabei nicht unbedingt typisch, im Gegensatz zur recht seltenen Sinusvenenthrombose, die sich durch einseitige akute Schmerzen und eine gerötete Bindehaut aufgrund gestauter Gefäße äußert. Hierbei ist ausnahmsweise nicht die Ophthalmologie gefragt, sondern die neurologische Hand. Vorsicht bei rotem Auge ohne Sekretion, warnte Prof. Feltgen. In diesem Fall sollte man keine wertvolle Zeit durch Behandlung einer vermeintlichen Konjunktivitis verschwenden.

Auch die Phlegmone muss man sehr ernst nehmen, da sie lebensbedrohlich sein kann, insbesondere die Orbitaphlegmone, so Prof. Feltgen. Auch dabei ist das Auge rot, die Erkrankung äußert sich ebenfalls einseitig. Maßnahmen sind eine Antibiotikatherapie und ggf. die OP.

Der Pseudotumor ist eine tückische Erkrankung, vor allem, wenn er beidseitig auftritt. Er kann, muss aber nicht unbedingt, starke Schmerzen verursachen. Prof. Feltgen sieht darin ein Chamäleon, an das man nicht immer denkt, es kommt häufiger bei jungen Leuten vor. „Dass Sie das über eine Ophthalmoskopie diagnostizieren, wird aber niemand von Ihnen erwarten“, beruhigte er die Hausärzteschaft.

Die Riesenzellarteriitis sollten Haus­ärztinnen und Hausärzte dagegen schon auf dem Schirm haben. Typisch sind Schläfenkopfschmerz und Schmerzen beim Kauen, außerdem Nackensteifigkeit. Zur Diagnose führen die Blutabnahme (erhöhte BSG, CRP), die MRT und die Fundusuntersuchung. Die Therapie besteht in einer Steroidgabe.

Bei der intrakraniellen Hypertension geben die Symptome Nackensteifigkeit und Diplopie Hinweise auf die richtige Diagnose. Abgesichert wird diese durch MRT und Lumbalpunktion.

Quelle: Deutscher Schmerzkongress 2024