Parkinson und MSA Kräftig pusten, um besser zu schlucken

Neurowoche 2022 Autor: Friederike Klein

Nach vier Wochen Ausatemtraining lässt sich eine deutliche Kräftigung der pharyngealen Muskulatur nachweisen. Nach vier Wochen Ausatemtraining lässt sich eine deutliche Kräftigung der pharyngealen Muskulatur nachweisen. © Naeblys‒ stock.adobe.com

Die Logopädie als aktivierendes Therapieverfahren bei parkinsonbedingter Schluckstörung ist seit Langem etabliert. Doch die Betroffenen profitieren auch von einem vierwöchigen Ausatemtraining, das sie zu Hause selbst durchführen.

Das Expiratory Muscle Strength Training (EMST®) erfolgt mit einem kleinen Gerät, in das  man kräftig hineinpustet. Es kann für verschiedene Ausatemwiderstände kalibriert werden. Bei Parkinsonpatienten mit Dysphagie steigert es im Verlauf von vier Wochen die Schluck­effizienz- und -sicherheit, erklärte PD Dr. Inga Claus von der Neurologischen Universitätsklinik Münster. Für einen ordnungsgemäßen Gebrauch genügt es, die Handhabung einmal zu zeigen. Das Training ist dann denkbar einfach: An fünf Tagen in der Woche werden fünfmal pro Tag fünf Atemzüge in das Gerät ausgeatmet. Den Zeitaufwand dafür bezeichnete Dr. Claus als gering. Das EMST sei sehr einfach in den Alltag der Betroffenen zu integrieren, ein Patient von ihr trainiere z.B. immer während der Tagesschau. Das Gerät könne problemlos auch auf Reisen mitgenommen werden. 

Nach vier Wochen Ausatemtraining lässt sich eine deutliche Kräftigung der pharyngealen Muskulatur nachweisen. In einer sham-kontrollierten, randomisierten Studie verbesserten sich Verschlucken (Penetration) und Aspiration, berichtete die Neurologin. In einer eigenen randomisierten und sham-kontrollierten Arbeit konnte sie diese Effekte unter flexibler endoskopischer Kontrolle verifizieren. Der Dysphagiescore verringerte sich bei Verwendung des EMST im Vergleich zu einem Gerät mit sehr geringem Widerstand deutlich. Insbesondere zeigten sich signifikant weniger pharyngeale Residuen (p < 0,001). 

Auswirkungen auf das kortikale Schlucknetzwerk konnten in der Magnetresonanztomografie nicht gezeigt werden. Die Schluckeffizienz war demnach durch eine Reduktion der pharyngealen Bradykinese verbessert, meinte Dr. Claus. Sie berichtete, dass die Besserung der Dysphagie durch das vierwöchige EMST auch nach drei Monaten noch anhielt. 

In einer weiteren Studie prüfte man die Wirksamkeit einer zweiwöchigen EMST in der Dysphagiebehandlung von acht Patienten mit Multisystem­atrophie (MSA) und von neun mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSP). Wie Luise Berger vom Neurologischen Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson Beelitz berichtete, profitierten beide Gruppen. Bei MSA-Patienten zeigte sich ein um rund 30 % verbesserter endoskopischer Dysphagie-Gesamtscore und besonders deutlich eine Reduktion pharyngealer Residuen. Bei PSP-Patienten war der endoskopische Dysphagie-Gesamtscore nach zwei Wochen EMST signifikant um etwa 20 % gebessert, außerdem kam es zu weniger Penetrationen/Aspirationen.  

Berger erläuterte, dass es durch EMST wahrscheinlich zu einer besseren Beweglichkeit des hypopharyngealen Komplexes kommt. Insgesamt sieht sie für das Ausatemtraining auch bei MSA und PSP ein großes therapeutisches Potenzial. Evidenz für die Wirksamkeit der EMST bei Dysphagie besteht bereits bei Schluckstörungen nach Schlaganfall oder bei amyotropher Lateralsklerose (ALS). Das Gerät gibt es in zwei Versionen für unterschiedliche Drücke. Es kostet im Internet zwischen 60 und 80 Euro, berichtete Dr. Claus. Privat Versicherte könnten versuchen, die Kosten erstattet zu bekommen.

Kongressbericht: NEUROWOCHE 2022