Pilze in Tumorzellen Krebstypspezifische Gemeinschaften könnten als Biomarker dienen

Autor: Josef Gulden

Eine Studie zeigt, dass in allen untersuchten Tumorarten Pilze in niedrigen Konzentrationen vertreten waren. Eine Studie zeigt, dass in allen untersuchten Tumorarten Pilze in niedrigen Konzentrationen vertreten waren. © Christoph Burgstedt – stock.adobe.com

Über die Rolle von Pilzen bei malignen Erkrankungen ist kaum etwas bekannt. Forscher:innen legten dazu nun eine umfangreiche Studie vor. Das Ergebnis: In allen untersuchten Tumorarten waren Pilze zumindest in niedrigen Konzentrationen vertreten. Sie lassen sich möglicherweise zu Prognose, Diagnose und Prädiktion nutzen.

Es gibt wenige Berichte über die Existenz von Pilzen in bestimmten Tumortypen. Beim Ösophagus- und Pankreaskrebs wird ihnen eine karzinogene Rolle zugeschrieben – aber für die meis­ten Krebsentitäten ist nichts über ihre Anwesenheit, Lokalisierung und Auswirkungen bekannt. Gemeinschaften von Bakterien und Viren in Karzinomen wurden inzwischen sogar in die „Hallmarks of Cancer“ aufgenommen, zumal viele von ihnen auch die Therapie beeinflussen können. 

Die Frage, ob das auch für Pilze gilt, war Anlass für eine neue Studie, in der Dr. Lian Narunsky-Haziza vom Weizmann Institute of Science, Rehovot, und Kolleg:innen die Krebs-Mykobiome an einem umfangreichen Probenmaterial charakterisierten und mit Bakteriomen und Immunomen verglichen.

Insgesamt unterteilten die Forschenden 17.401 Proben aus Tumorgewebe, Blut und Plasma von Patient:innen mit 35 verschiedenen Krebsarten in vier unabhängige Kohorten. Pilze fanden sich in allen Tumortypen, aber nicht bei sämtlichen Erkrankten; sie waren – wie das auch für Bakterien bekannt ist – meist intrazellulär in Krebs- und Immunzellen lokalisiert. Darüber hinaus gab es signifikante Korrelationen zwischen spezifischen Pilzen einerseits und Alter, Tumor-Subtypen, Raucherstatus, Ansprechen auf Immuntherapien und Überlebensparametern andererseits. 

 Permissiver vs. antagonistischer Phänotyp

Die Wissenschaftler:innen beobachteten starke positive Korrelationen zwischen Pilz- und bakterieller Vielfalt als Zeichen für Tumor-Mikroenvironments, in denen eine nicht-kompetitive Kolonisierung durch verschiedene Lebensformen möglich ist – was sie als „permissiven“ Phänotyp bezeichnen. Das stehe im Gegensatz zur Mikroumgebung des Darms, wo sich Populationen von Pilzen und Bakterien vor allem unter antitumoralen oder antibiotischen Therapien verändern und miteinander im Wettbewerb um Ressourcen stehen – ein „antagonistischer“ Phänotyp. Ob der permissive Phänotyp passiv durch immunsupprimierte, nährstoffreiche Mikroenvironments zustande kommt oder für ein aktiv und synergistisch bestimmtes multifunktionelles Ökosystem und eventuell für einen Selektionsvorteil für den Tumor spricht, bleibt jedoch unklar. 

Unklar sei noch, ob dahinter kausale Zusammenhänge stehen, schreiben die Autor:innen. Interessanterweise fand sich etwa für den Pilz Malassezia globosa, der an der Entstehung des Pankreaskarzinoms beteiligt ist, eine Korrelation mit kürzeren Überlebenszeiten bei Brustkrebs. Die funktionelle Charakterisierung solcher Zusammenhänge sei derzeit noch schwierig, weil die Pilze nur in geringen Konzentrationen vorkommen. Und: Im Gegensatz zur Bakterienflora wurden bisher nur wenige Pilzgenome publiziert.

Forschende warnen:keine Kausalität bestätigt

Die Wissenschaftler:innen fanden bestimmte „Myko-Typen“ über verschiedene Krebsentitäten hinweg mit distinkten Immunantworten, die mit Überlebensdaten korrelieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Pilze bei aller Seltenheit das immunologische Geschehen beeinflussen, ähnlich wie die PD+ Zellen im Fall der Immuntherapie. Ein klinischer Nutzen von Pilzen als potenzieller Biomarker und therapeutisches Ziel wird durch ihre Assoziation mit einer Reihe klinischer Parameter wie dem Überleben (Brustkrebs), dem progressionsfreien Überleben (Ovarialkarzinom), dem Ansprechen auf Immuntherapien (Melanom) sowie der Detektion von Frühstadien gestützt.

Die weitere Erforschung dieser polymikrobiellen Gemeinschaften und ihres Einflusses auf die Krebsentwicklung sei sinnvoll – wobei die Autor:innen explizit davor warnen, die gefundenen Korrelationen schon jetzt als kausale Zusammenhänge zu verstehen.

Quellen:
Narunsky-Haziza L et al. Cell 2022; 185:3789-806; DOI: 10.1016/j.cell.2022.09.005