Small-Fiber-Neuropathie Kutane Manifestationen als erster Hinweis
Patienten mit einer Small-Fiber-Neuropathie suchen häufig als erstes den Dermatologen auf, da diese Form der Polyneuropathie unter anderem Dysästhesien verursacht, welche die Betroffenen als Hautirritationen interpretieren. Zudem ist sie mit weiteren kutanen Manifestationen assoziiert.
Ursächlich liegt der Neuropathie eine Schädigung der un- und dünn-myelinisierten Nervenfasern (C und Ad) der Haut zugrunde, die u.a. für Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung verantwortlich sind, erläutern die Dermatologen Dr. Andressa Akabane und Dr. Gideon Smith von der Harvard Medical School und dem Massachusetts General Hospital in Boston. Da die Erkrankung allerdings selbst unter Spezialisten noch relativ unbekannt ist, dauert es häufig, bis die Ursache der Beschwerden gefunden ist. Hinzu kommt, dass der Diagnosegoldstandard, die Quantifizierung der epidermalen Nervenfaserdichte an Hautbiopsaten, insbesondere im Anfangsstadium oft noch uneindeutig ausfällt.
Fast jeder Patient hatte Hautsymptome
Ohne Kenntnis der typischen Hautmanifestationen wird die Small-Fiber-Neuropathie weiter eine Ausschlussdiagnose bleiben, so die Experten. Das wollen sie ändern: Welche Hautauffälligkeiten bei der Erkrankung gefunden werden können, untersuchten sie anhand der Daten von 301 Patienten (190 davon weiblich) mit einer bioptisch bestätigten Small-Fiber-Neuropathie. Alle waren zwischen 2000 und 2019 an zwei Bostoner Kliniken betreut worden. Das mediane Alter der Patienten betrug 51 Jahre. In 36 % bzw. 35 % der Fälle war die Neuropathie idiopathischer bzw. autoimmuner Natur (z.B. Sjögren-Syndrom).
97 % der Studienteilnehmer wiesen mindestens eine dermatologische Manifestation auf, die häufig die distalen Extremitäten stärker als die proximalen betrafen, berichten Dr. Akabane und Dr. Smith. Etwa 84 % klagten über Hautschmerzen, die als brennend, einschießend oder stechend beschrieben wurden, 61 % über ein Taubheitsgefühl. Weitere sensorische Störungen umfassten Kribbelparästhesien, Juckreiz, Allodynie sowie Trigeminusneuralgie.
Auch autonome Funktionsstörungen beobachteten die Forscher bei vielen Betroffenen: Je etwa ein Fünftel litt unter Anomalien der Schweißproduktion (Hyper-/Hypo-/Anhidrose) oder distal betonten Ödemen, 18 % unter Hautveränderungen (z.B. Rötungen oder Verfärbungen) und 14 % unter Sicca-Symptomen (auch ohne Sjögren). Raynaud-Phänomen, Erythromelalgie, Barrierestörungen wie Ekzeme oder Hauttrockenheit, Rosacea, Haarverlust, Hautulzera, Phlegmonen, Vernarbungen sowie Nageldystrophien zählten ebenfalls zum dermatologischen Symptomspektrum.
Das Muster der Hautmanifestationen erscheint aufgrund der axonalen Nervenschädigung logisch, so die Experten. Zwischen dem Auftreten der Symptome und der Diagnose anhand der Nervenfaserdichte unterhalb des Grenzwertes vergingen in der Kohorte median vier Jahre. Brennende Schmerzen, Taubheitsgefühl, Parästhesien, Ödeme, Haarverlust etc. an den distalen Extremitäten sollten den Verdacht bereits vorher auf die Erkrankung lenken, fassen sie ihre Beobachtungen zusammen.
Quelle: Akabane AL et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 100-107; DOI: 10.1111/jdv.17714