Gestationsdiabetes Leichte, aber signifikante Vorteile einer frühzeitigen Therapie

Autor: Dr. Judith Lorenz

In Deutschland ist in den Mutterschaftsrichtlinien ein Zuckerbelastungstest zwischen der 24. und 28. SSW vorgesehen. In Deutschland ist in den Mutterschaftsrichtlinien ein Zuckerbelastungstest zwischen der 24. und 28. SSW vorgesehen. © Pepermpron – stock.adobe.com

Der Gestationsdiabetes (GDM) birgt sowohl für die Mutter als auch für das Kind erhebliche Gefahren. Schwangere mit erhöhtem Hyperglykämierisiko und einem auffälligen oralen Glukosetoleranztest (oGTT) innerhalb der ersten 20 Schwangerschaftswochen (SSW) profitieren möglicherweise von einer frühzeitigen GDM-Therapie. 

Der GDM prädisponiert unter anderem für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (Gestationshypertonus, Präeklampsie, Eklampsie), für maternale und fetale Geburtsverletzungen infolge einer fetalen Makrosomie und begünstigt Hypoglykämien des Neugeborenen, so die Arbeitsgruppe um Professor Dr. David Simmons von der Western Sydney University in Campbelltown, Australien. Üblicherweise wird daher zwischen der 24. und 28. SSW mithilfe eines oGTT nach Blutzuckerauffälligkeiten gefahndet. Werdende Mütter mit erhöhtem GDM-Risiko sollen dagegen bereits in einem früheren Gestationsalter ein Screening absolvieren.

Ob bei entsprechenden Blutzuckerauffälligkeiten eine frühzeitig eingeleitete GDM-Therapie Vorteile im Hinblick auf den weiteren Schwangerschaftsverlauf oder die neonatale Morbidität hat, untersuchte Prof. Simmons gemeinsam mit weiteren internationalen Forschenden im Rahmen der TOBOGM-Studie.

WHO-Kriterien für Gestationsdiabetes

  • Nüchternblutzucker ≥ 92 mg/dl
  • Ein-Stunden-Wert nach oGTT ≥ 180 mg/dl
  • Zwei-Stunden-Wert nach oGTT ≥ 153 mg/dl

An der Studie, die an 17 Kliniken in Australien, Österreich, Schweden und Indien durchgeführt wurde, nahmen 802 Frauen mit einer Einlingsschwangerschaft teil, die mindestens einen Risikofaktor für eine Hyperglykämie aufwiesen (z. B. vorangegangener GDM oder Makrosomie, BMI > 30 kg/m2, Alter ≥ 40 Jahre, familiäre Vorbelastung, polyzystisches Ovarsyndrom). Alle Frauen hatten in der ersten Hälfte der Schwangerschaft – im Schnitt in der 15. SSW – einen Zwei-Stunden-75-g-oGTT absolviert, dessen Ergebnis in allen Fällen die WHO-Kriterien für einen GDM erfüllte (s. Kasten). Gemäß Randomisierung erhielten 406 Frauen unmittelbar eine GDM-Behandlung inklusive Schulungen zum Blutzuckermonitoring, Diätberatung sowie gegebenenfalls Pharmakotherapie.

Die 396 Schwangeren der Kontrollgruppe absolvierten dagegen zunächst zwischen der 24. und 28. SSW einen weiteren oGTT zur Kontrolle. Nur bei einem erneut auffälligen Testergebnis wurde bei ihnen eine Behandlung eingeleitet. Dies war bei 67 % der Frauen der Fall.

Weniger respiratorische Komplikationen

Zu einem neonatalen Endpunktereignis, also die Kombination verschiedener neonataler Komplikationen (Frühgeburt vor der 37. SSW, Geburtsgewicht ≥ 4.500 g, Geburtstrauma, Atemnotsyndrom, Phototherapie, Totgeburt, Tod während der Neonatalperiode, Schulterdystokie), kam es bei 24,9 % der Frauen mit frühzeitiger GDM-Therapie und 30,5 % der Frauen in der Kontrollgruppe. Dieser Unterschied war hauptsächlich auf eine niedrigere Rate respiratorischer Komplikationen in der Interventionsgruppe zurückzuführen.

Bezüglich der Häufigkeit einer schwangerschaftsassoziierten Hypertonie unterschieden sich die beiden Studiengruppen dagegen nicht wesentlich (10,6 % vs. 9,9 %). Gleiches galt für die mittels eines Bauchzirkels gemessene fettfreie Körpermasse der Neugeborenen, für weitere neonatale Endpunkte sowie für die Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Ereignisse in Zusammenhang mit dem Screening- und Behandlungsprozess.

Braucht es andere Diagnosekriterien?

Die zeitnahe Behandlung eines vor der 20. SSW diagnostizierten GDM hat gegenüber dem Abwarten auf die Ergebnisse des Wiederholungs-oGTT nur leichte, wenn auch signifikante Vorteile im Hinblick auf neonatale Komplikationen, fasst Prof. Simmons die Studienergebnisse zusammen. Ob diese Beobachtungen auch für Schwangere ohne Risikokonstellation zutreffen, sei unklar. Weitere Studien müssen daher die Ergebnisse überprüfen, meint er. Weiterhin gibt er zu bedenken, dass sich ein Drittel der vor der 20. SSW gestellten GDM-Diagnosen später nicht bestätigte. Es sei daher zu hinterfragen, ob die zwischen der 24. und 28. SSW etablierten Diagnosekriterien auch im früheren Gestationsalter gültig sind.

Quelle:
Simmons D et al. N Engl J Med 2023; 388:2132–2144; doi:10.1056/NEJMoa2214956